Unvergessliche Momente bescherte Fritz Brinkmann seinem BSV Heidenoldendorf. Lippe-Kick blickt mit Trainer-Legende Friedhelm Götemann und dem ehemaligen BSV II-Coach Klaus Busse zurück.
„Das persönlich mitzuerleben, war faszinierender als im Stadion“
Historisch (hk). Was für ein tolles Geschenk hat der einzigartige Vereins-Boss Fritz Brinkmann seinem Herzensverein zum 70-jährigem Geburtstag gemacht. So kredenzte er seinem BSV Heidenoldendorf im Juli 1989 renommierte Gäste wie unter anderem den FC Schalke 04, FC St. Pauli, Galatasaray Istanbul, Borussia Dortmund und den 1. FC Nürnberg. Vom Sonntag, den 9. Juli 1989 an, gingen die „Fritz Brinkmann-Festspiele“ über mehrere Wochen mit insgesamt zehn außergewöhnlichen Vergleichen über die Bühne. Im Schulzentrum Mitte in Detmold waren trotz zeitweiliger Regenschauern bis zu 2500 Zuschauer Zeitzeugen, wie die Profi-Cracks der Traditionsvereine ihre Kunststücke zelebrierten. Klar ist: Diese Glanzpunkte an Freundschaftsspielen, die es vorher nie gegeben hat und auch nicht mehr geben wird, waren das Brinkmann-Baby. Er baute sich damit selbst ein Denkmal. Damals tingelten die höherklassigen Vereine im Rahmen einer Saisonvorbereitung noch durch die Provinz. Mittlerweile sind die Profi-Teams eher auf globaler Expansionstour unterwegs, als sich den deutschen Fans vor Ort zu zeigen. Mit einer Träne im Auge befürchtet der auch damals involvierte aktuelle BSV Heidenoldendorf-Geschäftsführer Klaus Busse: „Das wird nie wieder kommen. Es sei denn, einer der lippischen Big Player steigt in den lippischen Fußball ein.“
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Von Henning Klefisch
Lukrativ: Aus dem Trainingslager reisten die Bundesligisten, die türkischen und schottischen Spitzenteams, an, brachten sie sich vor einer vierstelligen Kulisse in Form. Der mittlerweile verstorbene Fritz Brinkmann war ein Macher, ein Visionär, vielleicht auch ein Eigenbrötler, denn der beruflich bei Bosch Altekrüger im Detmolder Industriegebiet aktive Familienvater machte sein eigenes Ding, wenn es darum ging, die finanziellen Angelegenheiten mit den höherklassigen Vereinen zu regeln. „Er trat finanziell in Vorleistung. Der Verein konnte das nicht“, so erklärt Busse, der seinerzeit Coach der Reserve vom BSV Heidenoldendorf war. Götemann verrät immerhin, dass große lippische Firmen wie die Sparkasse Detmold und die Lippische Landesbrandversicherung dieses Event unterstützten. Zehn Deutsche Mark sind als Eintrittsgeld veranschlagt worden. An zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden wurden regional, national, sogar international angehauchte Freundschaftsspiele durchgeführt. Der Startschuss fiel am Sonntag, den 9. Juli 1989, um 14.00 Uhr mit dem Aufeinandertreffen zwischen dem SC Herford (Verbandsliga) und dem TBV Lemgo (Landesliga), was die Herforder mit 4:0 klar für sich entschieden. Zwei Stunden folgend gab es das unvergessliche Match einer Auswahl Heidenoldendorfer (Bezirksliga) und Horn-Bad Meinberger (Landesliga), die gegen den Zweitligisten FC Schalke 04 antraten. Zahlreiche Schalke-Fanclubs aus ganz Ostwestfalen-Lippe, zudem viele Schaulustige, sorgten für einen angemessenen Rahmen mit bis zu 2500 Schaulustigen im Herzen von Lippe. Moderiert wurde diese bemerkenswerte Veranstaltung mit Glamour-Potenzial vom allseits bekannten Jürgen Biere, den Busse wie folgt charakterisiert: „Er war mit allen Wassern gewaschen, hatte immer ein großes Mundwerk, war ein echter Typ. Einige konnten ihn nicht ab. Er war allerdings ein großartiger Entertainer, er kannte jeden Spieler.“ Diese Mischung aus Selbstbewusstsein, Sprachgefühl und Fachwissen mündeten in einer kurzweiligen Unterhaltung durch den Stadionsprecher Biere.
„Die machen euch heute fertig“
Eine Krönung fand bereits vor dem Spiel statt, als der einzigartige Schalker-Kultbetreuer Charly Neumann äußerst jovial die Passmappen den Heidenoldendorfer Offiziellen auf den Tisch warf, und ankündigte: „Macht Ihr mal. Ich esse erst einmal eine Bratwurst“, genoss er diese zusammen mit dem S04-Präsidenten und „Sonnenkönig“ Günter Eichberg. Ob das Westfalen-Blatt, die Lippische Rundschau, auch Lippe-Aktuell, sogar das WDR und RTL, die großen Medien aus Nordrhein-Westfalen versorgten ihre Kunden mit interessanten Geschichten zu diesen Highlights. Nicht zu verachten war auch Schalkes Neumann, der mit Götemann herumblödelte, ihm lausbubenhaft prophezeite: „Die machen euch heute fertig, knallen euch die Bude voll.“ Groß war bei den Hausherren die Vorfreude, wie beim Wimpeltausch zwischen Lokalmatador Carsten Fischer und S04-Capitano Andreas Müller deutlich wurde. Auf dem Spielfeld gewann letztlich der damalige Zweitligist das ungleiche Duell mit einem klaren 6:0-Sieg. Der russische WM-Internationale Alexander „Gorbi“ Borodjuk ist in der Residenzstadt getestet und für gut befunden worden. Wie damals das „Westfalen-Blatt“ schwärmte, sahen die vielen Beobachter „einen sehr guten Mittelfeldregisseur Matthias Herget und einen pfeilschnellen und torgefährlichen Ingo Anderbrügge. „Gorbi“ zeigte gute Ansätze, harmonierte mit Herget, und eröffnete in der 14. Minute den Torreigen.“ Für die lippische Auswahl verpassten Koryphäen wie Trainer-Filius Stefan Götemann (34. Minute), Frank Schwabe (65.) und Fritz Grabosch (89.) nur jeweils knapp einen Ehrentreffer.
Authentische Paulianer
BSV-Coach Friedhelm Götemann (Bild links), der mit einer gemischten Auswahl, bestehend zum Großteil aus seinen Heidenoldendorfern und dem TuS Horn-Bad Meinberg, auflief, schwärmt auch nach mehr als drei Jahrzehnten im Lippe-Kick-Gespräch vom prominenten Vergleich mit den Schalker „Knappen“: „Die hatten eine super Technik, eine enorme spielerische Eleganz. Sie ließen schnell die Kugel laufen. Der Ball lief wie am Schnürchen, wie automatisch.“ Seinem Team verordnete Götemann eine konsequente und disziplinierte Defensivarbeit, sollte der fußballerisch weit überlegene Kontrahent die Initiative übernehmen. Die hochfavorisierten Ruhrpott-Kicker durften sich austoben. Die Auswahl-Spieler vom BSV und vom TuS versuchten mit schnellen Umschaltaktionen Nadelstiche zu setzen. „Wir wollten uns auch mehrfach eine Chance herausarbeiten, uns nicht gänzlich verstecken“, analysiert Götemann und zeigt sich regelrecht angetan: „Persönlich das mitzuerleben, war faszinierender, als das im Stadion zu erleben. Die Jungs waren alle perfekt am Ball.“ Nach Ansicht von Busse beeindruckten die Kicker vom FC St. Pauli besonders, absolvierten diese das abschließende Match um 18.00 Uhr gegen das Amateur-Oberliga-Team vom TuS Paderborn-Neuhaus. „Sie waren freundlich, menschlich, volksnah, einfach sympathisch“, gaben die Kiez-Kicker eine herausragende Visitenkarte in Lippe ab. In diesem Test-Match setzten sich die von Helmut Schulte gecoachten Paulianer deutlich mit 9:0 durch.
„Gerland ist ein Typ wie Götemann“
Am folgenden Samstag, den 15. Juli, bot der Spielplan drei absolute Sahnestücke. Um 14.30 Uhr erfolgte der Anpfiff für die beiden Zweitligisten RW Essen und VfL Osnabrück (Endergebnis 0:0), ehe um 16.15 Uhr der Amateuroberligist DSC Arminia Bielefeld sich mit dem deutschen Unterhaus-Teilnehmer SG Wattenscheid 09 maß. Nach 90 aufregenden Minuten, in denen die Lohrheide-Jungs bereits mit 2:0 führten, stand es letztlich 2:2-Unentschieden. Das Highlight war definitiv der Test-Kick zwischen den Bundesliga-Teams Borussia Dortmund – damals immerhin amtierender Pokalsieger – und dem vormaligen UEFA-Pokal-Teilnehmer 1. FC Nürnberg. Die Schwarz-Gelben behielten mit 2:1 die Oberhand. Im Landhotel Diele wurde für die Spieler der beiden Traditionsvereine ein großes Buffet aufgebaut. „Heute würde es so etwas nicht mehr geben. Da würden die Ernährungsberater diktieren, was gegessen wird. Die heutigen Profis sind essensmäßig verwöhnt, leben asketisch“, vergleicht Klaus Busse im Gespräch mit Lippe-Kick. Hermann Gerland, aktuell Co-Trainer vom FC Bayern München, damals Chefcoach der Nürnberger, erzählte einige lustige Anekdoten, sorgte für so manchen Schmunzler und Schenkelklopfer bei den anwesenden Gästen. Busse ist immer noch ganz fasziniert, sagt: „Eine echte Granate, ein Menschenfänger, ein Typ wie Friedhelm Götemann. Er hat tolle Geschichten erzählt mit seinem Ruhrpott-Dialekt.“ Eine Woche später hatte der Spielplan zwei weitere fußballerische Schmankerl parat. Der FC Gütersloh kickte um 16.00 Uhr gegen den Zweitliga-Aufsteiger SC Preußen Münster, der kurzfristig für den englischen Erstligisten FC Sheffield Wednesday einsprang. Die Preußen-Adler griffen beherzt zu, triumphierten mit 5:0. Zwei Stunden später besiegte der deutsche Erstligist FC Fortuna Düsseldorf den schottischen Europapokal-Teilnehmer Hibernian FC Edinburgh mit 3:2. Einen Tag danach folgten zwei Partien. Zunächst um 15.00 Uhr das Vorspiel zwischen dem Verbandsligisten Spielvereinigung Brakel gegen das lippische Landesliga-Team SuS Lage, was das klassenhöhere Team mit 3:2 gewann. Um 17.00 Uhr demonstrierte SC Fortuna Köln (2. Bundesliga) in einem stimmungsvollen Vergleich mit dem türkischen Europapokalmitglied und Zuschauermagneten Galatasaray Istanbul sein Können. Vor 2500 Zuschauern gewannen die Türken mit 3:1.
„BSV kam knapp aus der Nummer heraus“
Nicht nur die ostwestfälischen Amateur-Kicker kamen in den Genuss einer großartigen Kulisse. Nein, um den Appetit auf den großen Fußball zu steigern, zugleich den Jugendlichen ein einzigartiges Erlebnis zu bescheren, waren als Vorspiel die C-Jugend-Teams vom BSV Heidenoldendorf und vom TuS Eichholz/Remmighausen zu bestaunen. Unvergessen: Die Jugendarbeit war der Trumpf in den 80er Jahren, kamen viele A-Jugend-Kicker erst 1988 in den Seniorenfußball, spielten im Jahr darauf gegen die Schalker Knappen. Wie der gesamte BSV Heidenoldendorf so kurz vor der Deutschen Wiedervereinigung zusammengehalten hat, in Gemeinschaftsarbeit diese legendäre Veranstaltung wuppte, das bleibt hängen. Hungernd und düsternd musste keiner nach Hause gehen. An drei verschiedenen Gastro-Orten konnte sich verköstigt werden, haben die volljährigen BSV-Vereinsmitglieder entschlossen mit angepackt. Was für ein Teufelskerl! Der raffinierte Fritz Brinkmann hat sogar versucht, den großen FC Bayern München in die lippische Residenzstadt zu locken. Busse schildert mit einem Strahlen im Gesicht bei Lippe-Kick: „Brinkmann hat mit Uli Hoeneß telefoniert. Dieser begrüßte ihn mit den Worten: ‚Ach, der Herr Brinkmann aus Detmold.` Hoeneß wirkte am Telefon total sympathisch, bodenständig und authentisch.“ Was blieb für den BSV Heidenoldendorf denn so übrig, neben dem tollen Renommee, versteht sich? Busse erklärt: „Der BSV kam knapp aus der Nummer heraus. Brinkmann wirkte nicht so zufrieden“, war dieses Husarenstück wohl finanziell kein Segen zur Jubiläumsveranstaltung. Trotzdem: Ein Lächeln überwiegt, denn die schönen Erinnerungen bleiben unauslöschlich.
Bilderquelle: Klaus Busse, Friedhelm Götemann aus der Lippe-Aktuell und dem Privatarchiv aus dem Jahr 1989 und aus 2020.