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OWL-Sport

Turnen – LLZ-Leiter Dörrer im Interview

Detmold gilt auch jeher als eine Wiege des Turn-Sports. Lippe-Kick hat Hans-Joachim Dörrer im Gespräch.

 

„Wir fühlen uns als Turnfamilie!“

 

OWL-Sport (hk). Das Landesleistungszentrum in Detmold ist ein ganz wichtiger Ort für das Kunstturnen hierzulande. Ganz entscheidend für die zahlreichen Erfolge verantwortlich zeichnet sich Stützpunkt-Leiter Hans-Joachim Dörrer, der 2013 sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden ist. Lippe-Kick-Mitarbeiter Detlef Schröder hat sich mit ihm unterhalten.

Lippe-Kick: Wie wichtig ist für Dich das Thema Ehrenamt?

 

Hans-Joachim Dörrer: „Der Sport wird seit eh und je vom Einsatz ehrenamtlich arbeitender Menschen getragen – sowohl im Breiten – wie auch im Leistungssport. Im leistungssportlichen Bereich müssen allerdings auch professionelle Strukturen hinzukommen, wenn man erfolgreich sein will. Als 1980 das Turnleistungszentrum in Detmold eingeweiht wurde, haben wir die Chance bekommen, eine Trainingskonzeption für die systematische Entwicklung von Turntalenten zu entwickeln, die heutzutage ohne solche Einrichtungen kaum möglich ist.“

 

Lippe-Kick: Findest Du, dass sich mehr Leute ein Beispiel nehmen sollten, ehrenamtlich tätig zu sein?

 

Dörrer: „Was wir in den 40 Jahren unseres Bestehens geschafft haben, ist nicht allein mein Verdienst. Ich war immer ein Teamplayer und habe viele Mitstreiter gefunden, die mitgeholfen haben, dass Detmold inzwischen zu einem „turnerischen Leuchtturmprojekt“ geworden ist, das durch die Zertifikate als „Landesleistungsstützpunkt im besondere Interesse des Landes Nordrhein-Westfalen“ sowie als „Turnleistungszentrum des Deutschen Turner-Bundes“ seine Anerkennung erhalten hat.“

 

Lippe-Kick: Welche Unterschiede gibt es seit der Einweihung der Detmolder Talentschmiede bis heute?

 

Nadine Jarosch und Michael Gruhl beim Bundesfinale JUGEND TRAINIERT FÜR Olympia.

Dörrer: „Wir waren im „Landesprogramm Talentsuche und Talentförderung in Zusammenarbeit von Schule und Verein/Verband“ als erstes Turnprojekt an der Entwicklung einer „Rahmentrainingskonzeption für Kinder und Jugendliche im Leistungssport“ beteiligt. Ziel dieser Konzeption war und ist die gesellschaftlich akzeptierte Nachwuchsförderung in Kooperation von Schulen und Sportvereinen, die den ethischen Prinzipien eines humanen Leistungssports verpflichtet ist. Der damalige Kultusminister von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Girgensohn, hat das in die Worte gefasst: „Wer den Leistungssport will, muss das Talent suchen. Wer das Talent gefunden hat, muss es betreuen und fördern.“ Dazu haben wir einen inhaltlich-methodischen Leitfaden erarbeitet, der die im Kindes- und Jugendalter gut zu entwickelnden turnerischen Basisleistungen (konditionelle und technisch-koordinative Grundlagen) erarbeiten hilft und somit die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Leistungsentwicklung bis ins Höchstleistungsalter schafft. Daran hat sich bis heute nichts geändert.“

 

Lippe-Kick: Wie schwierig ist es, begabte Turnerinnen zu hohen und höchsten Leistungen zu führen?

 

Im Nationaldress bei der EM 2011 in Berlin.

Dörrer: „Dieser Weg ist lang und mühevoll. Die turnerische Fähigkeits- und Fertigkeitsentwicklung muss dabei in Einheit mit der Persönlichkeitsentwicklung erfolgen. Dabei sind besonders solche Eigenschaften und Verhaltensweisen zu entwickeln, die für hohe Leistungen im Gerätturnen unbedingt erforderlich sind: Risikobereitschaft als Fähigkeit, sich zu überwinden, Mut für schwierige Übungen, Kampfgeist, Disziplin, Beharrlichkeit, Kameradschaftlichkeit, zielgerichtetes Leistungsstreben im Training und Wettkampf. Besonders wichtig ist es, die Liebe zur
Sportart und damit die Freude am Turnen zu entwickeln und zu festigen. Oder um mit der Sportlegende Eberhard Gienger zu sprechen: „Wer im Gerätturnen erfolgreich sein will, muss die Geräte als Freunde betrachten. Gegeneinander funktioniert nicht, das Miteinander zählt – auch als Einzelkämpfer.“

Nadine Jarosch, die mit acht Jahren zu uns gekommen ist, war so ein Talent, das in vorbildlicher Weise diesen Weg auf sich genommen und von Anfang an das Ziel verfolgt hat, sich mit dem Turn-Team Deutschland für die Olympischen Spiele 2012 in London zu qualifizieren. Ich muss gestehen, dass ich zu Anfang skeptisch war, ob sie das schaffen würde. Aber sie hat konsequent auf diesen Traum hingearbeitet und wir haben sie dabei nach allen Kräften unterstützt. Das Besondere an diesem Erfolg ist, dass sie ohne Schulzeitverkürzung, die ihr als Olympiakaderturnerin zugestanden hätte, am Christian-Dietrich-Grabbe-Gymnasium im sogenannten System „Schule und Leistungssport“ ihr Abitur gebaut hat.“

 

Lippe-Kick: Hat sich durch Corona etwas im Turntraining geändert?

 

Dörrer: „Grundsätzlich nicht. Natürlich waren wir schon geschockt, als am 16. März alle Sportstätten in Nordrhein-Westfalen geschlossen wurden. Aber wir haben schnell reagiert und die Turnerinnen mit entsprechenden Trainingsprogrammen ins
„Home-Training“ geschickt, wo sie die Kinder- und Wohnzimmer zu „kleinen Turnhalle“ umgestaltet haben und sich auf diese Weise zumindest körperlich fit halten konnten. Am 8. Mai sind die Kaderturnerinnen dann mit unbändiger Freude an die Geräte im Turnleistungszentrum zurückgekehrt und haben inzwischen wieder ihren alten Leistungsstand erreicht, sodass wir uns mit Optimismus auf die in die zweite Jahreshälfte verschobenen Wettkämpfe auf Landes- und Bundesebene vorbereiten können.“

 

Lippe-Kick: Mit der Wiedervereinigung ist Michael Gruhl nach Detmold gekommen. Wie ist die Zusammenarbeit mit ihm?

 

Die beiden derzeitigen Bundeskaderturnerinnen aus dem LLZ, Lia Feline Mass ( li, AK 12) und Mia Lutkova (10)

Dörrer: „Nach der Wende war es eine wichtige Aufgabe die beiden unterschiedlichen Turnverbände der ehemaligen DDR und des Deutschen Turner-Bundes zusammenzuschalten. Ich hatte das Glück, in die dafür gebildete Kommission berufen zu werden, zu der auch der damalige Cheftrainer der DDR-Turnerinnen gehörte. Als ich ihn fragte, ob er nicht einen TOP-Trainer wüsste, der bei uns seine Arbeit fortsetzen würde, empfahl er mir Michael Gruhl. Also griff ich zum Telefon und lud ihn nach Detmold ein, um sich bei uns vorzustellen. Das Training, das wir zu sehen bekamen, sowie die Gespräche waren so überzeugend, dass wir ihm eine ABM-Stelle anboten, die er auch annahm. Dass wir die richtige Wahl getroffen haben, lässt sich u. a. an der Erfolgsstatistik unseres Turnleistungszentrums ablesen, die zwölf Bundeskaderturnerinnen aufweist, die zehn Titel bei den Deutschen Jugendmeisterschaften errungen haben und zahlreiche Erfolge auf internationaler Ebene (Welt-Cups/Europameisterschaften/Weltmeisterschaften und Olympische Spiele). In der Zusammenarbeit haben wir die Aufgaben so verteilt, dass Michael Gruhl als Cheftrainer fungiert, während ich als Stützpunktpunktleiter die administrativen Geschäfte wahrnehme.“

Lippe-Kick: Gibt es heute noch Kontakt zu ehemaligen Turnerinnen?

Dörrer: „Wir fühlen uns als eine Turnfamilie, in der das Miteinander großgeschrieben wird. Das gilt nicht nur für das sechsköpfige Trainerteam und die aktiven Turnerinnen, sondern auch für die Turneltern, die Ehemaligen, die Sponsoren und die vielen Freunde in nah und fern. Und darauf können wir auch in Zukunft zählen.“

Werbegruppe OWL Sport

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