
Wer den Namen TTSG Erder hört, denkt zunächst einmal an Tischtennis. Doch von 1987 bis 1999 nahm auch eine Fußball-Abteilung am Spielbetrieb teil.
Unvergessene Vereine (ab). Das kleine Örtchen Erder mit seinen gerade einmal rund 750 Einwohnern ist eingefleischten Tischtennis-Fans deutschlandweit ein Begriff, in Sachen Fußball hört es an den lippischen Grenzen aber vermutlich schon auf. Man muss ans Ende des alten Jahrtausends blicken, um die TTSG Erder in den Tabellen der Lemgoer Kreisligen zu finden. Zumal die Mannschaft auch nur 14 Jahre lange am Spielbetrieb teilnahm. Über die Kreisliga C, bzw. die 3. Kreisklasse, wie sie zu dieser Zeit noch hieß, kam man nie hinaus. Dennoch lohnt sich ein Blick zurück.
Dieser Bericht wird präsentiert von:
Von André Bell
Am 22. Juni 1948 wurde die Tischtennis-Gemeinschaft Erder gegründet. Kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs musste man kreativ sein. Die ersten Tischtennis-Schläger wurden aus Sperrholz ausgesagt und dann mit Sandpapier beklebt. Und für Bälle musste man tief in die Tasche greifen. „Vereins-Mitbegründer Arthur Hoffmann hat aufgeschrieben, dass ein Tischtennisball vor der Währungsreform zwei Reichsmark plus vier Zigarren und zwei Zigaretten kostete“, erzählt Hans-Ulrich Krause, der lange Zeit Tischtennis-Sportwart der TTSG Erder und heute noch passives Vereinsmitglied ist. Der Brenkersche Sall im Gasthaus „zur Post“ diente als Spielort. 1966 schlossen sich die TTG Erder und die Tischtennis-Abteilung der SG Kalldorf zur TTSG Erder-Kalldorf zusammen. Bis dann auch Fußball gespielt wurde, mussten noch einmal zwei Jahrzehnte vergehen.

Zum Saisonstart am 23. August 1987 begleiteten 40 Fans die Erderaner Fußballer zu ihrem Punktspieldebüt nach Spork-Wendlinghausen. Hier ein Foto der Mannschaft mit ihren Fans. Zu Beginn war die Euphorie schon riesig. Der Torwart in der vorderen Reihe ist Jörg Schütz, heute Vorsitzender der TTSG Erder.
1987 erste Teilnahme, 1996 Aufstieg knapp verpasst
„In Erder kickten Freizeitfußballer auf dem dortigen Bolzplatz. Sie bestritten Freundschaftsspiele und spielten bei Sportfesten. Es entstand der Wunsch dieser Spieler, an Punktspielen teilzunehmen“, so Krause. Gesagt, getan. Am 16. November 1986 wird die Fußball-Abteilung, die sich unter Wegfall des Ortes Kalldorf in TTSG Erder umbenennt, gegründet. „Erster Fußball-Abteilungsleiter wurde Hartmut Grube, der inzwischen leider verstorben ist. Als Mannschaftsbetreuer fungierte Reinhold Grotjohann, ein echter Erderaner, der jahrelang zuvor die Zweitvertretung der SG Kalldorf betreut hatte. Erster Spielertrainer war Uwe Sievering, der zuvor lange beim TuS Langenholzhausen und SuS Stemmen-Varenholz Leistungsträger war.“ Die ersten Erderaner Fußballer waren sie allerdings nicht, denn bereits in den 20er Jahren nahm „Wacker“ Erder am Spielbetrieb teil. Und auch der sportliche Erfolg war überschaubar, über die niedrigste Spielklasse kam man nie hinaus. Einmal war man dicht davor, in die B-Liga aufzusteigen. In der Saison 1995/1996 wurden die Kicker der TTSG Erder Tabellenzweiter, vier Punkte hinter der Zweitvertretung des TuS Lüdenhausen.
Pos. | Club | Sp. | T | GT | Diff. | Punkte |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | ![]() | 24 | 99 | 26 | 73 | 59 |
2 | ![]() | 24 | 95 | 33 | 62 | 55 |
3 | ![]() | 24 | 89 | 22 | 67 | 53 |
4 | ![]() | 24 | 67 | 32 | 35 | 53 |
1999 erfolgt das Aus für die Fußballer
Doch nach nur zwölf Spielzeiten konnte die Fußball-Begeisterung in Erder nicht mehr hochgehalten werden, die Mannschaft musste abgemeldet werden. Die Gründe kennt Hans-Ulrich Krause: „Es existierte keine Jugend. Die Leistungsträger kamen in die Jahre. Reinhold Grotjohann, die „Seele“ der Abteilung, verzog nach Essen. Letztlich mögen auch die fehlenden Erfolge zur fehlenden Motivation der letzten Jahre geführt haben. Außerdem gab es in Erder keinen Sportplatz. Die „Heimspiele“ fanden somit allesamt in diesen Jahren in Varenholz auf dem Schloss-Sportplatz statt.“ Idyllisch gelegen, allerdings zog auch das die Fußballer nicht zur TTSG. Ganz anders lief und läuft es noch heute dagegen im Tischtennis.
14 Tischtennis-Mannschaften Anfang der 90er Jahre
Hier war der Höchstwert erreicht, als zu Beginn der 90er-Jahre sage und schreibe 14 Tischtennismannschaften der TTSG Erder am Spielbetrieb teilnahmen. Von Herren über Damen bis hin zu Schülern, Jugendlichen und Mädchen war alles dabei. Zum Vergleich:

Diese sechs Akteure spielten von 1970 bis 1972 in der Tischtennis-Landesliga für die damalige TTSG Erder-Kalldorf (heute: TTSG Erder). Oben von links: Dieter Grotefeld, Gustav Bretthauer, „Hänschen“ Meier, Hans-Ulrich Krause, unten von links: Otfried Püschel (vierfacher Lippischer Einzelmeister der A-Klasse) und Lothar Ziemke.
In der Saison 2020/21 gibt es bei der TTSG Erder drei Herrenteams. Auch in Sachen Höhenpunkte der Vereinsgeschichte hab die Tischtennis-Spieler einiges mehr vorzuweisen. 1967 gelingt der Aufstieg in die Bezirksliga, drei Jahre später in die Landesliga, die vierthöchste Spielklasse Deutschlands. Neben Krause gehörten folgende Spieler zum Landesliga-Kader: Otfried Püschel, Gustav Bretthauer, Dieter Grotefeld, „Hänschen“ Meier und Lothar Ziemke. „Püschel, Meier und Ziemke kamen aus Bad Salzuflen, Bretthauer und Grotefeld aus Vlotho“, so Krause, der selbst aus Varenholz stammt, aber seit der Schülermannschaft beim TTSG Erder spielte. Zu der Zeit war Erder die lippische Nummer eins in Sachen Tischtennis, wenn auch nur für eine Saison. Denn ein Jahr später stieg auch die TG Sylbach in die Landesliga auf. In dieser Saison erfolgte auch wieder der Abstieg in die Bezirksliga. „Ein Grund war darin zu sehen, dass „Manager“ Norbert Pätzold vor dieser zweiten Landesliga-Saison nach Berlin verzog.“
Bretthauer zweimal lippischer Meister, WTTV-Pokalsieg 2019
Auf den Spuren der TTSG Erder war auch die zweite Truppe, die 1970 nach 26 ungeschlagenen Spielen ebenfalls in die Bezirksklasse aufstieg. Auch Einzelerfolge gab es zu feiern. „Spitzenspieler Gustav Bretthauer sicherte sich 1969 und 1971 den Titel des Lippischen Einzelmeisters in der Herren A-Klasse“, erinnert sich Krause. Auch die Damen reihen sich ein, die 1958 die Ostwestfalenmeisterschaft erringen konnten. Elfriede Rehmsmeier, Charlotte Huar und Marlene Staasmeier freuten sich über den Titel. Gegenwärtig haben die Herren wieder in die Erfolgsspur zurückgefunden: 2019 wurde die TTSG Erder mit den Spielern Jonas Korf, Alexander Hamm und Fabian Schütz WTTV-Pokalgewinner der Herren-Bezirksliga. Ausnahmespieler Korf spielt mittlerweile beim TuS Bexterhagen und Alexander Hamm für CVJM Wehrendorf.
Eine entführte Braut und ein müder Mannschaftsführer
Allerhand Kurioses ist in all den Jahren natürlich auch passiert, so Krause. „In der großen Zeit zu Beginn der 70er Jahre gab es eine legendäre Mannschaftsfahrt nach Schlitz.“ Was dort alles passierte, fasst er in Stichworten zusammen: „Entführung einer Braut vor einer Hochzeit, zwei Autos auf dem Weg zum Grillplatz im Wald festgefahren und mit Laub und Zweigen „getarnt“, schließlich der Versuch, mittels eines Hosengurtes einen Baum zu erklettern. Mannschaftsführer Lothar Ziemke schlief beim Grillabend ein…“
