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Saison 2022/23

Der Mann mit Pfiff – Teil 52: Viktor Braun

Schweigen bedeutet Lob. Wenn über sie nicht berichtet wird, dann haben sie eine einwandfreie Leistung gezeigt. Lippe-Kick möchte in der neuen Serie den Spielleitern die Wertschätzung erweisen, die sie längst verdient haben. Klickt euch mal hinein.

Pierluigi Collina als großes Vorbild

Der Mann mit Pfiff (hk). Von den Schiedsrichtern wird stets verlangt, dass sie nahezu fehlerfrei agieren. Perfektionismus pur. Manche Kreisliga-Spieler schießen mehr hoch als weit, lassen den Ball vom Schienbein weiter abprallen, als andere passen können. Doch die Spielleiter, die müssen ohne Fehl und Tadel agieren, so das Anspruchsdenken einiger. Man muss selbstbewusst sein, dazu ein hohes Maß an Souveränität und Fußball-Kompetenz mitbringen, um in diesem Stahlbad seinen Mann zu stehen. Auf den ersten Blick ist das Schiedsrichterdasein ein Solo-Kämpfertum. Man gelangt in eine Einzelkabine, ist auch im Spiel meistens auf sich allein gestellt. In seltenen Fällen und bei besonderen Spielen helfen Assistenten an der Seitenlinie aus. Lippe-Kick-Reporter Henning Klefisch hat in diesem Fall den Unparteiischen Viktor Braun etwas näher ins Visier gerückt.

 

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Von Henning Klefisch

 

Viele Lebensgeschichten von einem Schiedsrichter ähneln sich beinahe schablonenhaft. Einst kickten sie selbst. Mal passabel, doch es grätschte schicksalshaft die blöde Knieverletzung dazwischen. Oder es wurde bedauerlicherweise talentfrei gegen das runde Leder gekickt. Bei Viktor Braun stellt sich die allgemeine Sachlage doch etwas anders dar. In seiner Teenager-Hochphase, zwischen dem 14. bis 17. Lebensjahr, fungierte er als Jungschiedsrichter in Niedersachsen für den SC Uchte von 1911, im Landkreis Nienburg/Weser beheimatet. Er frönte dem Kicken mehr als dem Pfeifen, weshalb er die Prioritäten anders geordnet hat. Nach knapp zwei Jahrzehnten feierte der mittlerweile 38-Jährige sein Comeback in der Spielleitung. „Seit zwei Jahren bin ich wieder Schiedsrichter, da ich meiner Leidenschaft Fußball treu sein möchte, habe ich mich für den Schiedsrichter-Posten jetzt entschieden“, so verrät er es bei Lippe-Kick.

 

„Bin mit jeder Situation meiner Entscheidung zufrieden“

 

Prost. Bist du Braun, kriegst du Frauen. Viktor Braun mit dem Collina mit Haaren, dem legendären Schiedsrichter Timo Franz-Sauerbier beim kollektiven Vernaschen von einem kühlen Blonden.

Es ist allseits bekannt: Ehrlichkeit währt am längsten, denn in Braun ist immer mehr die Erkenntnis gereift, dass er auf dem Spielfeld nicht mehr die Vitalität, Frische und Dynamik besitzt, um mit den jungen Wilden tatsächlich in einen realistischen Wettkampf treten zu können. Der für den VfB Matorf pfeifende Braun hat höher gespielt, als er aktuell pfeift. Bis zur Landesliga demonstrierte er seine Ballfertigkeiten, während er bis zur Kreisliga in Niedersachsen Spiele leiten durfte. Da zudem der eigenen Familie ebenfalls ein angemessener Zeitrahmen zugestanden werden musste, hing er schweren Herzens seine Fußballschuhe an den berühmten Nagel. Gerne wollte er so werden wie Pierluigi Collina. Wohlgemerkt, nicht der, der Haare hat und im bürgerlichen Leben auf den Namen Timo Franz-Sauerbier hört. Nein, er meint die italienische Referee-Legende, die insbesondere rund um die Jahrtausendwende an Coolness und Souveränität kaum zu überbieten war. Optisch sieht der kahlköpfige Braun dem italienischen Hüter über Recht und Ordnung immerhin schon etwas ähnlich. Wie bewertet Viktor Braun denn sein eigenes Leistungsvermögen? „Ich bin mit jeder Situation meiner Entscheidung zufrieden. Manchmal gib es halt Tage, wo man den einen oder anderen Fehler macht. Aber wer ist schon perfekt als Spielleiter heutzutage, wenn man allein auf dem Platz steht?“, zudem ohne VAR oder andere technische Hilfsmittel auskommen muss.

 

Als Spieler fehlt die sachliche Einordnung

 

Grundsätzlich offenbart der Familienvater einen klaren Wunsch, den er gegenüber Lippe-Kick auch so transparent kommuniziert: „Ich wünsche mir mehr Respekt uns Schiedsrichtern gegenüber.“ Schließlich sind doch auch Trainer, Vorstände und Spieler nicht frei von Fehlern. Selbst die zu häufig meckerwilligen, teilweise cholerischen Zuschauer an der Seitenlinie leisten sich privat, vielleicht auch beruflich, die eine oder andere Schwäche. Und dabei reden wir nicht nur von Schokolade oder schnellen Autos. Gutherzig empfiehlt es aber Braun, „sich immer seiner Linie treu zu bleiben.“ Eine detaillierte Vorbereitung betreibt der Enddreißiger nicht, kennt er doch die Vereine und die dazugehörigen Protagonisten fast so gut wie seine eigene Westentasche, weil er eben selbst viele Jahre lang gespielt hat. Mit reichlich Spaß geht er dieser Aufgabe nach: „Ich freue mich, jedes Spiel zu leiten. Ich bin mit Herz und Leidenschaft dabei.“ Der langjährige Kicker hat allerdings einen ganz markanten Unterschied zwischen Spielen und Leiten beobachtet: „Wenn du mal selbst auf der anderen Seite als Spieler warst, da war ich ganz anders als jetzt als Schiedsrichter.“ Seine Begründung klingt schlüssig: „Als Spieler will man nur das sehen, was für deine Mannschaft zum Vorteil ist“, fehlt die sachliche Einordnung viel zu häufig.

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