Entertainment-Fußball kürt Müller-Männer zum Sieger

Spielbericht

(hk). Ganz viele Fußballspiele streicht man bewusst oder unbewusst aus seinem Gedächtnis. In Zeiten der Reizüberflutung ist das ein logischer, ja ein menschlicher Wesenszug. Was sich allerdings heute Nachmittag im Hörster Waldstadion abgespielt hat, ist unglaublich. Vor allem die Schlussphase hat es wahrlich in sich, als der RSV Hörste die nötigen Tore für den 6:5-Heimsieg über den TuS Eichholz/Remmighausen erzielt. RSV-Flügelflitzer Dennis Gerstenberg Guerreiro ist scheinbar besoffen vor Glück, als er via Lippe-Kick japst: „Ein total verrücktes Spiel, selten habe ich sowas in den Senioren erlebt.“

Von Henning Klefisch

M. Hadulla

Zunächst möchte der traditionell so kommunikationsstarke Tim Hosch keinen Kommentar zu diesem aufregenden Match abgeben, denn das dritte Drittel in dieser Partie wird er aus seiner Festplatte nicht einfach so löschen können. Dann überwindet sich der TuS Eichholz/Remmighausen-Trainer doch noch. Als Jannik Rother nämlich in der 58. Spielminute auf 3:0 stellt, ist eine Art Vorentscheidung in dieser Partie bereits gefallen. So scheint es zumindest, nachdem im ersten Spielabschnitt Mirko Röhl (37. Min.) und Martin Paul Hadulla (42. Min.) jeweils erfolgreich sind. Nach schönen Kombinationen und einem fulminanten Fernschuss fallen die Treffer. Der RSV Hörste lässt im ersten Durchgang das Spielgerät geschickt und gekonnt durch die eigenen Reihen laufen, ohne aber in der spannenden Spielfeldzone Gefahrenmomente heraufzubeschwören. Gerstenberg Guerreiro lobt den Kontrahenten: „Eichholz-Remmighausen hat es clever gemacht, hinten nichts zugelassen und vorne die Chancen eiskalt genutzt. Die 0:2-Führung zur Halbzeit war absolut verdient, unser Auftritt war blutleer.“

Die aufregende und torreiche Schlussphase

K. Leps

„Wir waren die bessere Fußballmannschaft, haben die bessere taktische Ausrichtung gehabt und einen klareren Plan.“ Ergo: „Wir führen völlig verdient.“ Was dann jedoch passiert, sorgt für kollektives Haare raufen bei den Grün-Weißen. Das Rother-Tor ist für Gerstenberg Guerreiro gleichbedeutend mit dem richtigen Wachmacher für sein Team. Die TuS-Deckung wird bereits im Aufbauspiel gestresst, wodurch zahlreiche Ballgewinne produziert werden. Und Tore. RSV-Spielertrainer Florian Müller knallt nämlich nach 62 Minuten einen Eckball direkt in die gegnerischen Maschen. Damit zieht Hörste den berühmten Stecker bei den Gästen, die in sich zusammenfallen, in der Defensive porös wirken. Dem Gastgeber werden völlig neue Räumlichkeiten zur freien Entfaltung gewährt. Die Eichholz/Remmighausener wirken jetzt wie der fehlerhafte Zwilling von dem Team, das eine Stunde lang eine vorzeigbare Auswärtsleistung gezeigt hat. Kevin Leps (per Elfmeter; 72. Min.) und erneut Müller (75.; 78. Min.) drehen die Begegnung sogar. „Vielleicht sind sie sich zu sicher“, vermutet Hosch. Schließlich ist dann sein Team per Doppelschlag durch Rother (86. Min.) und Patrick De-Fehr (90. + 2 Min.) zum 4:5 erfolgreich. Das ist nur der vermeintliche Sieg, denn, was dann passiert, ist für Hosch unerklärlich. In der Extra-Time treffen Sascha Zunke (90. + 2 Min.) und Kevin Leps (90. + 4 Min.) zum frenetisch umjubelten 6:5-Sieg der Hausherren. Leps wird per Kopfball nach einem Eckball zum Siegtorschützen. Spielertrainer Florian Müller wird zum Lieferhelden – mit drei Assists.

„Beide Abwehrketten und Torhüter waren fehlerbehaftet“

T. Hosch

„Die Tore sind dann auch gefallen, ein total verrückter Spielverlauf. Wir gewinnen am Ende wirklich nicht unverdient, weil wir mehr Körner in der zweiten Halbzeit hatten“, analysiert der O-Ton-Geber vom RSV Hörste. Vorteilhaft, um in diesem Match elf Tore bestaunen zu dürfen? „Beide Abwehrketten und die Torhüter waren heute fehlerbehaftet, dadurch kommen die vielen Gegentore zustande.“ Die Stimmungslage ist bei den Gästen naturgemäß völlig im Keller anzusiedeln. „Die letzten Minuten waren völlig naiv von uns. Wir waren zu nachlässig, zu unkonzentriert, zu undiszipliniert. Das darf uns nicht passieren. Wir müssen das Positive sehen. Wir haben auswärts fünf Tore erzielt, haben 65 Minuten mit einer auf acht Positionen veränderten Mannschaft ein unglaublich gutes Spiel gemacht. Fußballerisch waren wir immer in der Lage, dem Gegner unser Spiel aufzudrängen. Wir waren gut, haben einen guten Fußball gespielt. Darauf müssen wir aufbauen, weiterarbeiten. Ob verdient oder unverdient. Dieses Spiel brauchte offensichtlich einen Sieger vom Fußball-Gott. Das war dann jetzt Hörste. Es war deren Schritt zum Klassenerhalt, für uns ist das hoffentlich nicht ganz bitter“, rekapituliert Hosch in seinen Schlussworten, um dann Lippe-Kick einen Einblick in seine Gefühlswelt zu gestatten: „Ich bin bedient.“

Fazit: So ein Fußballspiel hat das Waldstadion auch nicht alle Tage erlebt. Da sieht nach einer Stunde Spielzeit der TuS Eichholz/Remmighausen bereits wie der sichere Sieger aus, um sodann eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle zu erleben. Nicht einmal der talentierteste Drehbuch-Autor hätte die Geschichte dieses Spiels besser erzählen können.

Tore:
0:1 Mirko Röhl (37. Min.)
0:2 Martin Paul Hadulla (42. Min.)
0:3 Jannik Rother (58. Min.)
1:3 Florian Müller (62. Min.)
2:3 Kevin Leps (per Elfmeter; 72. Min.)
3:3 Florian Müller (75. Min.)
4:3 Florian Müller (78. Min.)
4:4 Jannik Rother (86. Min.)
4:5 Patrick De-Fehr (90. + 2 Min.)
5:5 Sascha Zunke (90. + 2 Min.)
6:5 Kevin Leps (90. + 4 Min.)