Das sieglose Hansestadt-Derby

Spielbericht

(hk). Die Tor-Armut in diesem Lokal-Duell ist auffällig in dieser Spielzeit. Ein mageres Törchen gab es beim knappen Hinspiel-Erfolg des TBV Lemgo II. Am Donnerstagabend gibt es im zweiten saisonalen Aufeinandertreffen mit dem VfL Lüerdissen ein 1:1-Unentschieden. Beide Treffer fallen erst im finalen Drittel dieser Begegnung. Die Lüerdisser Erfolgsgeschichte wird damit um ein weiteres Kapitel ergänzt, bleiben sie im siebten Spiel in 2023 unbesiegt. VfL-Spielertrainer Tim Steffen moniert allerdings flugs: „Das war nicht unsere beste Leistung.“ Ursächlich, warum fußballerische Feinheiten eher nachrangig behandelt werden, ist der Rasenplatz, der bei der Ballverarbeitung und beim Passspiel doch so einige Probleme bereitet. Nach Ansicht von TBV II-Trainer Mathias Wellmann ist dieser „noch schlechter als in Bexterhagen.“

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Von Henning Klefisch

Fabian Klatt

In der Verteidigung wirkt der Gastgeber sattelfest, doch im Offensiv-Vortrag ist er mit nur wenig Esprit und Durchschlagskraft unterwegs. Dabei sind die Möglichkeiten durchaus vorhanden, gelingt es ihnen im Ansatz gut. Mehrfach befördern sie Zuspiele zwischen die gegnerische Mittelfeld- und Abwehrreihe, aber die vorhandenen Räume nutzen sie nicht sinnvoll, lassen so aussichtsreiche Möglichkeiten verstreichen. Steffen kritisiert unverhohlen bei Lippe-Kick: „Wir waren vorne zu harmlos, zu unentschlossen, haben falsche Entscheidungen getroffen, keinen guten ersten Kontakt in der Weiterführung des Spiels gehabt. Mir fehlte die Körpersprache, gerade im Spiel nach vorne.“

Tim Steffen

In diesen Punkten erkennt er noch einigen Spielraum, um im Angriffsspiel mehr Torgefahr zu entwickeln. Deutlich besser in diesem Themengebiet sind da schon die Hansestädter, die sich eine Vielzahl an Abschlussaktionen erspielen, wenn allerdings auch nicht massig Hochkaräter darunter sind. Im ersten Durchgang haben die Gäste zwei famose Chancen, während bei den Lüerdissern keine zu verzeichnen ist. Ein abgefälschter Ball wird vom VfL-Fänger Fabian Klatt ausgezeichnet pariert, lenkt er dieses Geschoss doch artistisch über die Torlatte. „Das macht er super“, hebt Steffen für diesen starken Save beide Daumen gen Himmel. Für Wellmann wäre eine Halbzeitführung für sein Team in Anbetracht der aussichtsreichen Möglichkeiten „nicht unverdient gewesen“, lobt er an dieser Stelle ebenso die „guten Paraden“ von Klatt. Die Lüerdisser schießen im ersten Durchgang kein einziges Mal den Ball auf das gegnerische Gehäuse.

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Tor des Willens durch Christopher Bailis

Heiner Beckmann

Leicht besser wird der Spielvortrag der Hausherren in den zweiten 45 Minuten. Einige Bälle stibitzen sie im letzten Spielfelddrittel. Prompt verlieren sie aber nach der Eroberung das Spielgerät, sind wenig widerstandsfähig und unzureichend präzise in ihrem Handeln. Einige große Führungschancen vergeben die Lemgoer, die mit der besseren Spielanlage zu gefallen wissen.

Noel Amir Strate

Trotz all dieser Defizite ist es der Rechtsverteidiger Christopher Bailis, der den VfL Lüerdissen in der 66. Spielminute mit 1:0 in Führung bringt. Der vorangegangene Spielzug läuft über mehrere Stationen, sind die Faktoren wie die Spieleröffnung von der linken Verteidigung ausgehend, dann mit einer geschickten Verlagerung, äußerst stimmig. Nach einem hohen Ball serviert Heiner Beckmann empathisch, mit reichlich Köpfchen. Der durchlaufende Bailis, aus halbrechter Position kommend, nimmt das Zuspiel in den gegnerischen Strafraum mit, läuft nach einem leichten Kuddelmuddel mit dem Objekt der Begierde an TBV II-Torwart Noel Amir Strate vorbei, ehe er den Ball letztlich im gegnerischen Kasten versenkt. Steffen klatscht innerlich Beifall: „Das war von vorne bis hinten ein guter, wahrscheinlich auch unser bester Angriff.“ Für Wellmann ist es vor allem „ärgerlich, dass das Tor so fällt.“

Steffens Vermutung täuscht ihn

Thomas Pries

Die Vermutung von Tim Steffen soll ihn arg täuschen. „So, wie das Spiel ablief, wird die Mannschaft, die das erste Tor schießt, die Partie gewinnen.“ Denkste. Eine Viertelstunde nach dem Führungstreffer kassieren die Hausherren nämlich das Ausgleichstor. Keinesfalls fällt dieser Treffer aus dem Nichts. Die Lemgoer werden zunehmend dominanter. Nach einem eigenen Einwurf bringt der an diesem Tag sehr auffällige und torgefährliche Jonas Zych den Ball in seinen Besitz, spielt ihn zu Marvin Fuchs auf die Außenbahn, der mit einem Tiefenball zum eingewechselten Thomas Pries weiterleitet. Der Joker setzt sich ausgezeichnet auf der Winger-Position durch. Gegenspieler Patrick Günther setzt zur Grätsche an, die aber nicht zum erhofften Ziel führt. Seine Mitspieler sind in dieser Szene zu sehr aufgerückt, weshalb gleich mehrere Lemgoer völlig freistehen. Jonas Hildebrand (Bild rechts) bekommt die Kugel am zweiten Pfosten stehend zugespielt, verarbeitet sie, spitzelt sie letztlich am heraus eilenden Klatt vorbei ins Tor. „Ein mehr als verdientes 1:1“, meint Mathias Wellmann. In der Folgezeit verstärkt sein Team die eigenen Offensivbemühungen, strebt jetzt die volle Ausbeute an, die aber nicht mehr eingefahren wird.

„Eine Punkteteilung, mit der wir heute leben können“

Kenneth Klocke

„Wenn eine Mannschaft heute einen Sieg verdient hätte, wäre es eher der TBV Lemgo II gewesen“, findet Steffen. „So ist es eine Punkteteilung, mit der wir heute leben können.“ Mit dem schön heraus gespielten Treffer kann Steffen sich absolut anfreunden. Doch er beanstandet, dass es bei seinem Team oftmals über Ansätze nicht hinausgeht, werden die fleißig eroberten Bälle zu leicht hergeschenkt.

Volker Klocke

Nach einem spielfreien Wochenende, das zur ausgiebigen Regeneration verwendet wird, steht am kommenden Mittwoch bereits das nächste Derby auf dem Programm. Es geht dann nämlich in das Heimspiel gegen den TSV Kirchheide. Mit dem einen oder anderen Rückkehrer ist im nächsten Lokal-Derby zu rechnen. Mit Kenneth Klocke, der sich unglücklich in einem Zweikampf verletzt hat, sollte da wohl eher nicht zu rechnen sein. Nach 22 Minuten wird für ihn Volker Klocke eingewechselt.

„Wir waren am Sieg näher dran als Lüerdissen“

Mathias Wellmann

Wellmann beobachtet über die gesamte Spielzeit, dass der Sicherheitsgedanke bei allen Beteiligten die höchste Wertigkeit eingeräumt wird. Für beide Teams ist es besonders wichtig, dass sich kein weiterer Spieler mehr verletzt. In Richtung des lädierten Klocke möchte er an dieser Stelle noch „gute Besserung“ wünschen. „Wenn es ein Team verdient hätte, als Sieger vom Platz zu gehen, wären wir das gewesen. Wir waren am Sieg näher dran als Lüerdissen.“ Allerdings gleicht sich deshalb das Hinspiel wohl aus, was die Lemgoer durchaus etwas glücklich mit 1:0 für sich entschieden haben. Er zeigt sich mit Blick auf das Lüerdisser Waldstadion davon überzeugt, dass „da oben noch einige Teams Punkte liegen lassen werden“, möchte er sich für dieses Unentschieden nicht schämen. Baldige Genesungswünsche richtet der TBV Lemgo II-Coach an die aktuell verletzten Akteure. Bei seinen Schützlingen und ihm ist die Freude über das letzte Spiel in der englischen Woche immens, hat er doch gemerkt, dass so einige Mannschaften derzeit das eigene Leistungs- und Kraftlimit austesten, zumal ab dem 1. Mai noch die Festspielregel dazukommen wird, das die Personalsituation deutlich erschwert. „Wir sind immer noch im Amateur-, nicht im Profisportbereich, wo wir mehrere Wochen am Stück mit englischen Wochen unterwegs sind. Das geht im Amateurbereich nicht“, schüttelt er darüber nur verständnislos mit dem Kopf.

Fazit: Dieses Unentschieden geht schon so in Ordnung. Wenn es allerdings ein Team mehr verdient hat, als Sieger vom Platz zu gehen, dann ist es der TBV Lemgo II, der strukturierter und gefälliger agiert. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch: Im gesamten Spiel macht sich die gravierende Personalnot auf beiden Seiten arg bemerkbar. So bleibt nämlich vieles nur Stückwerk.

1:0 Christopher Bailis (66. Min.)
1:1 Jonas Hildebrand (81. Min.)