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Kreisliga C2 Lemgo

SC Lemgo/West – Eine Ausnahmesituation

Gina Nolting ist, soweit Lippe-Kick-Reporter Thomas Sauerbier es recherchieren konnte, die einzige Frau, die aktuell im lippischen Herrenfußball antritt, um sich Woche für Woche auf dem Platz in den Kampf um die Punkte zu begeben. Das ist uns einen Bericht wert.

 

Hier kommt Gina!

Kreisliga C2 Lemgo (ts). Bis zum 13. Lebensjahr spielte sie Kinderfußball in Brake, danach kickte sie in der Schulmannschaft. Seit etwas mehr als einem Monat steht Gina Nolting nun regelmäßig auf dem Platz, um in der Kreisliga C2 Lemgo für den SC Lemgo/West anzutreten.

 

Ihr wollt Grillen? Habt Fragen dazu? Dann kommt gerne hier vorbei!

 

 

Von Thomas Sauerbier

 

Andreas Linne

Nachdem sie vier Jahre nur noch privat mit Freunden gekickt hatte, konnte Andreas Linne sie kürzlich überzeugen, dem SC Lemgo/West beizutreten und dort ihrem Hobby im Wettkampfmodus nachzugehen. Ihr Lebensgefährte Nico ist der Sohn von Coach Andreas Linne und es bedurfte einiger Gespräche, bis der Entschluss fiel. Anfangs war eine Frauenmannschaft geplant, doch dazu kam es nicht.

 

Ein Umfeld, das diesen Schritt leicht machte

 

Mit ihrem Lebensgefährten Nico Linne und dessen Vater Andreas, der Coach des Teams ist, hat Gina Nolting zwei Personen ihres Vertrauens in unmittelbarer Nähe. Das gibt naturgemäß ein gewisses Maß an Sicherheit. Zwar ist die Situation für sie nicht ungewohnt, da sie bereits in der Schulmannschaft die einzige Frau war, dennoch war der Schritt in den Herrensport nochmal eine ganz andere Angelegenheit.

 

„Im Damenbereich habe ich noch nie gespielt.“

 

Nolting ist überzeugt, dass „es unter Männern sehr viel einfacher zugeht als bei Frauen“. Bei den Frauen gibt es häufig „Komplikationen“, die sie nicht in Kauf nehmen mag, lässt sie uns wissen. Hinzu kommt, dass sie die Erfahrung machen konnte, dass Frauen beim Sport häufig ein Maß an Vorsicht walten lassen, dass ihr fernliegt und sich „bloß nicht dreckig machen“ möchten. Sie unterstreicht hierbei allerdings auch, dass das nicht auf alle Frauen zutrifft. „Wenn ich Sport mache, dann auch richtig und bei den Männern macht es mir persönlich mehr Spaß und fordert mehr“, begründet sie den Umstand, sich letztlich im Herrenfußball wohler zu fühlen.

 

Die Zustimmung im Team ist groß

 

„Das Team hat mich sehr gut aufgenommen. Klar, waren sie überrascht, aber auch sehr aufgeschlossen und bringen mir sehr viel bei. Ich glaube, das macht denen auch sehr viel Spaß“, kann Gina Nolting über ihre Ankunft beim SC Lemgo/West berichten. Dass es dennoch andere Stimmen gibt, die sie „definitiv nicht in einer Männermannschaft sehen wollen“, verschweigt sie dabei nicht und erwähnt, dass es bereits „eine kleine Auseinandersetzung“ gab.

 

Provokationen als Anreiz

 

Andreas Linne

Trainer Andreas Linne (Bild rechts) und das Team stehen jedoch voll hinter ihr und somit finden diese kritischen Stimmen keine Unterstützung, sondern bewirken wohl eher, dass man schneller zusammenwächst. Kommentare, die darauf zielen, dass Frauen nichts im Herrenfußball zu suchen haben, verletzen sie dennoch. Schlussendlich nimmt sie es jedoch als Anreiz, „umso besser“ zu spielen.

 

Aus Rohlingen werden Gentlemen

 

Machen wir uns nichts vor: Provokationen und Beleidigungen finden leider täglich auf dem Spielfeld statt, obwohl sie von den meisten Akteuren und Funktionären verächtlich abgelehnt werden. Gina Noltings Erfahrungen sind in dieser Hinsicht wahrhaft überraschend, und zwar positiv: „Ich werde eher gelobt momentan. Viele sind erstaunt und positiv überrascht, dass eine Frau mitspielt. Ich wurde auch von einigen Gegnern schon nach den Spielen angeschrieben und gelobt, dass ich mich traue, da zu spielen und dass ich echt schon gut spielen kann. Also, Beleidigungen auf dem Spielfeld fallen bisher gar nicht gegen mich. Eher Respekt.“ Dieses Phänomen ist regelmäßig zu beobachten, wenn Frauen in einer Männerdomäne auftauchen. Offenbar erinnert sich manch ein Akteur wieder an Werte wie Anstand, Respekt und Höflichkeit, wenn eine Frau gegenwärtig ist. Dieser Umstand spricht klar für Frauen im Männersport.

 

„Natürlich würde ich Mädchen und Frauen dazu ermutigen.“

 

Gina Nolting kann bis dato eine sehr positive Zwischenbilanz ziehen. Sie hat „unwahrscheinlich viel Spaß“ und fühlt sich wohl, in ihrem Dasein als einzige Frau im Team. Ihre Botschaft an alle Frauen, die mit dem Gedanken spielen, den gleichen Weg einzuschlagen wie sie, lautet, „dass es nicht schwierig oder gefährlich ist“. Was ihr wichtig ist: „Ich will auf jeden Fall versuchen, Frauen zu ermutigen und in den Verein zu bringen, um gerade auch den Zweiflern zu zeigen, dass wir Frauen genauso gut Fußball spielen können wie Männer, obwohl – wie ich zum Beispiel – wir körperlich schon unterlegen sind“, fasst sie zusammen, was sie sich für die Zukunft wünscht.

 

Unterschiede

 

„Klar, passen die Spieler bei mir mehr auf, dass ich nicht zu doll umgerannt werde oder halten generell mehr Abstand als bei den anderen. Aber ich werde genauso über den Platz gehetzt wie jeder andere“, kann Gina Nolting ausmachen. Es wird meist differenziert, wie hart man mit ihr den Zweikampf geht. Auch das spricht für ihre Anwesenheit, denn ein solches Zweikampfverhalten scheint regelkonformer als handelsüblich. Kein Trikot ziehen, keine Bodychecks, kein Halten und kein schmutziges Spiel. So war der Fußballsport einst gedacht.
Der körperliche Unterschied macht sich dennoch bemerkbar, scheint jedoch nicht unüberwindbar: „Man merkt aber auch, dass die Jungs schon härtere Schüsse draufhaben und manchmal doch auch schneller sind, aber da komme ich noch hin.“

 

Was für den SC Lemgo/West spricht

 

Die Tugenden des SC sind weitestgehend bekannt und Gina Nolting kann nur unterstreichen, dass sie auch aktuell gelebt werden: „Lemgo/West zeichnet sich in meinen Augen dadurch aus, dass wir kämpfen, für das, was wir wollen. Es gab schon Spiele, in denen sechs, sieben Leute gegen neun gespielt haben und wir haben es trotzdem durchgezogen und werden dies auch weiterhin tun.“
Sie kann einen „sehr starken Kampfgeist“ im Team feststellen und Coach Andreas Linne erhält von ihr das Prädikat „hervorragend“. Ihm traut sie es ohne Einschränkungen zu, die Mannschaft langsam wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

 

„Bei Heimspielen habe ich meine eigene Umkleide.“

 

Geduscht wird dann daheim. Bei Auswärtspartien heißt es: ‚Ladies first‘. Die Jungs warten, bis Gina Nolting wieder den Freizeitdress angezogen hat, bevor sie die Kabine betreten. Somit gibt es keine organisatorischen Probleme, die Gina Noltings Dasein im Herrensport im Weg stehen.

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