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Goldschädel Grüttner sorgt für Knöfels Kniefall

Spielbericht

(hk). Mensch, das war ja mal ein wilder Ritt auf der Rasierklinge. Der Tabellenvorletzte setzt im ersten Heimspiel unter dem neuen Coach Andre Plaß ein echtes Signal im Abstiegskampf und trotzt dem favorisierten TuS Horn-Bad Meinberg ein 3:3-Unentschieden ab. Bei hervorragenden äußeren Bedingungen wird den Zuschauern rund um den Kunstrasenplatz in Müssen eine Menge geboten. „Außer einem Sieger“, lacht TuS-Trainer Toni Knöfel bei Lippe-Kick.

 

Von Henning Klefisch

 

 

 

 

Die Hornsche-Personalnot ist natürlich episch miserabel. Mit einer Rumpf-Elf von nur elf Akteuren treten sie an. Tiefe Sorgenfalten bilden sich im Antlitz vom sonst so jovialen Knöfel. Vor der Begegnung trudeln noch einige Absagen ein, weshalb der TuS Horn-Bad Meinberg aus der enormen Not eine praktikable Tugend machen möchte. Knöfel mutiert zum Improvisations-Meister, muss an vielen Stellen im Team umbauen und entwirft eine gänzlich neue Start-Formation. „Wir wollten das Beste aus der Situation herausholen“, wird die Motivation dadurch aber nicht gebremst.

 

 

„Waren in unserem Spiel einfach zu ungeduldig“

 

F. Stabenow

Oberste Bürgerpflicht vom TuS Horn-Bad Meinberg ist es, in der Verteidigung und im Mittelfeld stabil zu stehen, um sodann mit fixen Umschaltaktionen für Torgefahr zu sorgen. Bereits nach vier Spielminuten ist dieser kühn ausgeheckte Plan über den Haufen geworfen. Der BSV Müssen schlägt lang Hafer, gleich drei HBM-Kicker stellen sich wenig zupackend an, weshalb Janis-Luca Böhm per Traumtor zum 1:0 erfolgreich ist. Einen Dreierpack an Abschlussaktionen erspielen sich die Gäste, sind es die Bovino-Brothers und Knöfel selbst, die „kläglich“ scheitern. Zugleich nehmen sie die Allianz mit der Glücksgöttin Fortuna in Anspruch, als nämlich nach einem Freistoß die Kugel gemächlich auf der Torlinie kullert, ehe sie von den Hornern entschärft wird. Offen wie ein Scheunentor sind die Kurstädter allerdings im Zentrum, weshalb die Hausherren immer wieder munter aus der Distanz zum Abschluss kommen. Fernschüsse aus bis zu 25 Metern Torentfernung sind mehr die Regel als die Ausnahme. Knöfel kritisiert: „Wir waren in unserem Spiel einfach zu ungeduldig und gaben den Ball zu schnell her.“ Einen Schockzustand erleben die Hornschen in der Nachspielzeit vom ersten Abschnitt. „Einen nicht gut gespielten langen Ball bekommen wir im Zentrum der Innenverteidigung nicht entscheidend verteidigt und ich bin für meine Person nicht weit genug eingerückt.“ Folglich darf Felix Stabenow in aller Seelenruhe den Einschieber machen.

 

 

0:2 in Viertelstunde gedreht

 

Marco Bovino

In der Halbzeitpause ist die Stimmung eher mittelgut. Die Teamchemie im Team der Horner ist indes grandios, denn mit reichlich Selbstkritik werden die eigenen Defizite zielgerichtet angeprangert. Die Abteilung Attacke wird auf die Wunschliste an die oberste Stelle gepackt. Knöfel schmunzelt: „Da sagt man als Trainer nicht nein, auch weil ich selber platt war.“ Der neu ausgeheckte Schlachtplan funktioniert bereits 120 Sekunden nach dem Seitenwechsel. Nach einem sauberen Spielzug über die rechte Flanke wird Wirbelwind Chris Capelle in Position gebracht. Aus rund 15 Metern Torentfernung demonstriert er seine Cleverness, als er das Spielgerät gekonnt in die lange Ecke schiebt. „Die Hoffnung keimte auf. Wir waren jetzt am Drücker“, registriert Knöfel kopfnickend. Eine Viertelstunde nach dem Anschlusstreffer fällt der Ausgleich. Marco Bovino bedient per Steckpass Felix Tcheon, der wieder quer auf Gianni Bovino passt. Für den ist es ein Kinderspiel, aus Nahdistanz zu versenken. Der feinfühlige TuS-Trainer findet: „Das Spiel war wieder völlig offen und Müssen angeschlagen.“

 

 

„Kein sportliches und faires Verhalten“

 

M. Grüttner

Es soll noch besser kommen. Die Crunch-Time ist nichts für zartbesaitete Seelen. Referee Axel Wattenberg spricht dem BSV Müssen zunächst einen Freistoß nach einem Rückpass zu. „Mit geballter Mannschaftsleistung können wir diesen Freistoß aus 13 Metern verteidigen“, freut sich Knöfel darüber ausgesprochen. Was ihm die Zornesröte ins Gesicht steigen lässt: „Anschließend gibt der Schiedsrichter einen Elfmeter für Müssen, der zu 2000 Prozent keiner sein kann.“ Der TuS-Verteidigungsminister für innere Sicherheit, Maurice Grüttner, klärt die Kugel zuverlässig wie ein Buchhalter und spielt sie in das Seitenaus. Dabei berührt er seinen Gegenspieler. Für Knöfel ist es ein völlig normaler Kontakt, ist Fußball schließlich doch auch ein „Körpersport“, kein Schach. Was den Gäste-Coach tatsächlich aufregt: „Klar kann der Schiedsrichter auch einen Fehler machen, nur hätte ich mir gewünscht, dass hier der gegnerische Spieler dem Schiedsrichter doch mal einen Hinweis gibt. Aber wie sagten es Spieler von Müssen: Für den TuS geht es um nichts mehr und von daher sollten wir uns nicht aufregen. Dies ist kein sportliches und faires Verhalten“, prangert er eindeutig bei Lippe-Kick an. Bujar Shenaraj versenkt den verhängten Elfmeter in Spielminute 83.

 

 

Erst kommt der „Bärendienst“, dann der Goldschädel

 

N. Petersmeier

Bei Knöfel steigt der Blutdruck rapide an. In der 86. Spielminute kassiert BSV-Kicker Mika Berhorst zunächst die Ampelkarte in dieser hektischen Partie. Anton Habernoll von den Hausherren hat im gesamten Spiel „nur zwei Fouls“ von Berhorst gesehen. Von einem „Bärendienst“ spricht Knöfel mit Blick auf Felix Tcheon. Als letzter Mann begeht er ein taktisches Foul. Der anschließende Freistoß bringt für den BSV Müssen nichts ein. Auch weitere höchst vielversprechende Umschaltaktionen vergeben die Hausherren leichtfertig, verpassen es somit, eine frühzeitige Entscheidung herbeizuführen. Ein Ball kullert sogar ganz entspannt gegen den Gäste-Pfosten. 120 Sekunden vor dem Schlusspfiff scheitert Grüttner aus drei Metern in Frank Baumann-Manier an BSV-Keeper Nils Petersmeier. Die Schlussoffensive geht weiter. Niklas Bohlmann haut einen langen Ball aus dem linken Halbfeld Richtung gegnerisches Gehäuse. Grüttner hält seine Rübe rein und markiert somit in der dritten Minute der Nachspielzeit den vielumjubelten 3:3-Ausgleichstreffer. Bloody Hell für den BSV Müssen und ein Himmelreich für den TuS Horn-Bad Meinberg. Toni Knöfel wird von seinen Gefühlen überwältigt. Bei Lippe-Kick beichtet er: „Ich bin vor Freude auf den Boden gesackt, weil es ein kleines Zeichen von ausgleichender Gerechtigkeit war nach diesem von einer Fehlentscheidung geprägten Elfmeter“, zwinkert ihm dabei der Fußball-Gott gönnerhaft zu.

 

 

„Die Jungs haben einen super Job gemacht“

Nach dem ersten Punktgewinn als BSV Müssen-Coach rekapituliert Andre Plaß bei Lippe-Kick in entspannter Stimmungslage: „Wir haben alles herausgehauen heute. Den Punkt haben wir uns redlich verdient. Die Jungs haben einen super Job gemacht.“ Was ihn wahrlich stört: „Leider kassieren wir in der Schlussphase den Ausgleich.“ Dennoch überwiegt auch bei ihm das Positive, denn: „Wir haben einen Punkt gewonnen. Top!“, garniert er diese Aussage gleich mit drei Ausrufezeichen. Knöfel schickt zwei ausgestreckte Daumen und fette Props in Richtung seiner Rumpf-Elf, die einmal mehr über sich hinausgewachsen ist, sich zu prächtigen Moralmonstern entwickelt hat. „Ich muss wieder einmal meinen größten Respekt der gesamten Mannschaft und Betreuern zollen. Das war ein Punkt der Willensleistung, weil Müssen in der zweiten Halbzeit kaum noch Gefahr entwickeln konnte und sich selber vorwerfen muss, die Konter nicht ausgespielt zu haben.“ Knöfel ist zur Ehrlichkeit erzogen worden, weshalb Dankbarkeit dominiert: „Über eine Niederlage hätten wir uns nicht beschweren dürfen, von daher ist der Punkt für mich persönlich und vereinsseitig hoch einzuschätzen.“ Man spricht im Fachjargon wahlweise von einem Punkt der Moral oder einem Bonuszähler.

 

 

Fazit: In Zeiten, wo der Otto Normalverbraucher jeden Cent dreimal kreisen lassen muss, ist dieses Eintrittsgeld herausragend investiert. Es sind alle Zutaten dabei, die solch ein Spiel schmackhaft machen. Am Ende ist dieses hohe Remis wohl verdient, wobei Müssen das Spiel schneller hätte schließen können.

 

 

Tore:
1:0 Janis-Luca Böhm (4. Min.)
2:0 Felix Stabenow (45. + 1 Min.)
2:1 Chris Capelle (47. Min.)
2:2 Gianni Bovino (63. Min.)
3:2 Bujar Shenaraj (per Elfmeter; 83. Min.)
3:3 Maurice Grüttner (90. + 3 Min.)

Details

Datum Zeit Liga Saison Spieltag
27. März 2022 90' Kreisliga A Detmold 2021/22 24

Spielort

Sportplatz Müssen
11, Hörster Straße, Müssen, Lage, Kreis Lippe, Regierungsbezirk Detmold, Nordrhein-Westfalen, 32791, Deutschland

Ergebnisse

Club1st Half2nd HalfGoalsSpielausgang
BSV Müssen213Draw
TuS Horn-Bad Meinberg033Draw

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