Keunes Weitschuss-Hammer lassen Lügde strahlen

Spielbericht

(hk). Ganz bestimmt sind Last-Minute-Siege in der Emotions-Skala deutlich höher anzusiedeln als die klaren Angelegenheiten. Dementsprechend ausgelassen dürfte die Stimmungslage bei der TuS Westfälischen Eiche aus Lügde sein, die bis zur 73. Minute einem Rückstand hinterherlaufen muss, zunächst ausgleicht, um durch denselben Akteur in der zweiten Minute der Nachspielzeit den fulminanten und frenetisch bejubelten 3:2-Siegtreffer zu markieren. Eine Propheten-Ausbildung im Grundstudium benötigt TuS-Trainer Arthur Wiebe nicht, hat er doch vorab bei Lippe-Kick von einem „hitzigen Spiel“ gesprochen, was sich heute auf dem Spielfeld bewahrheitet hat. „Auf und außerhalb des Platzes sind die Emotionen hochgekocht“, verrät er im Gespräch mit Lippe-Kick. Die Stimmungslage ist beim Gäste-Coach Haydar Özdemir im suboptimalen Bereich: „Ich bin maßlos enttäuscht über das Resultat.“ Denn: „Über 90 Minuten sind wir das dominierende Team, gehen zweimal in Führung.“

Von Henning Klefisch

Cihat Keles

Auf dem Spielfeld werden so einige packende Zweikämpfe absolviert. Beide Teams schenken sich nichts, sind robust und widerstandsfähig. Wiebe ist ein Sympathisant von solch packenden Vergleichen. Das Führungstor erzielt der Türkische SV Horn nach einer knappen halben Stunde. Per berechtigtem Elfmeter ist Cihat Keles zum 1:0 erfolgreich. Der Lügde-Verteidiger kommt im eigenen Strafraum den berühmten Schritt zu spät. Zuvor hat Wiebe allerdings eine Abseitsposition beim Gäste-Angreifer erkannt, der Schiedsrichter Thorsten Echterling aber nicht. Bereits zehn Minuten folgend jedoch zappelt die Kugel im Netz der Egge-Kicker. Nikolai Keuneke glänzt in dieser Szene mit einem unnachahmlichen Traumtor. Arthur Wiebe lobt seine Schützlinge: „Meine Jungs sind von Anfang an voll da, haben die Tugenden, die wir gefordert haben, voll umgesetzt, waren in puncto Laufbereitschaft, Zweikampfführung einfach stark heute. Wir haben uns gegenseitig gepushed, standen als Einheit auf dem Platz“, haben sich die Hausherren den 1:1-Zwischenstand zum Kabinengang deshalb auch eindeutig verdient.

Weitschuss-Tore und Traumfreistoß

Justin Keune

Sieben Minuten nach dem Seitenwechsel gehen die Horner durch Tolga Pulat erneut in Führung. Nach Ansicht von Özdemir geht dieser Vorsprung absolut so in Ordnung, hat sein Team doch mehr Ballbesitz, die besseren Abschlussaktionen, ist proaktiv unterwegs. Das ist für die Hausherren gleichbedeutend mit einem Wechsel-Signal. Ein Trio kommt, ein Trio geht. So feiert unter anderem Justin Keune nach einer längeren Verletzungsabstinenz sein Comeback. Wiebe schüttelt mit dem Kopf, konstatiert mit Wohlwollen: „Dann passieren einfach unglaubliche Tore.“ Beispiele gefällig? Gerne! In der eigenen Spielhälfte nimmt er das Spielgerät auf der rechten Position an, schießt von dort aus Richtung gegnerisches Gehäuse, bezwingt dabei den TSV-Fänger Lumjan Braha (Bild rechts) aus 60 Metern mit einer Monster-Lupfer. Unmittelbar vor diesem Treffer hätte Echterling aus Özdemirs Sicht aber einen „klaren Foulelfmeter“ für seine Mannschaft geben müssen, der ihnen jedoch verwehrt wird. Es soll noch besser für die Südost-Lipper kommen. In der zweiten Minute der Nachspielzeit verarbeitet der überragende Keune die Kugel in zentraler Position schulbuchmäßig. Er tut dies kurz nach der Mittellinie, etwa 45 Meter vor dem gegnerischen Kasten knallt er drauf, trifft erneut per Fernschuss. In den Schlussminuten werfen die starken Gäste alles nach vorne, zirkeln in Person von Cihat Keles per Freistoß den Ball an die gegnerische Torlatte.

Haydar Özdemir zeigt sich fassungslos

„Ein glücklicher Sieg für uns, aber kein unverdienter. Meine Jungs haben das Spiel angenommen, durch ihre kämpferische Leistung und Leidenschaft diesen Sieg auf jeden Fall auch verdient“, findet TuS WE Lügde-Chef-Trainer Arthur Wiebe (Bild links) im Gespräch mit Lippe-Kick.
„Nicht zu fassen“, ist es für Haydar Özdemir, was seine Mannschaft nach dem 2:1 zeigt. „Wir lassen uns von der hektischen Kulisse an der Seitenlinie anstecken. Dann ist bei uns auch nicht viel mehr herausgekommen.“

Haydar Özdemir

Er grollt zunächst, findet dann: „Noch ärgerlicher und dümmer kann man die Punkte nicht herschenken. So holt man aber die Punkte in der Kreisliga.“ Was er mit dieser Aussage im Detail meint: „Nicht das Schönspielen zählt, sondern die Effizienz.“ Ihm ist aufgefallen, dass die Lügder „überhaupt nicht im Spiel waren, nur mit langen Bällen versucht haben, das Spiel gefährlich zu machen“, hat ihm dieser Spielvortrag nicht begeistert. Daher macht er via Lippe-Kick deutlich: „Wenn man gegen so einen Gegner keine drei Punkte holt, dann haben wir unter den ersten vier, fünf Teams nichts verloren.“ Mehr Kaltschnäuzigkeit fordert er in diesem Zusammenhang von seinem Team. Den Lügdern bescheinigt er als ein positives Merkmal, dass sie besser mit der grassierenden Hektik umgehen. Dass noch einige Automatismen im eigenen Spiel erlangt werden müssen, dessen ist sich Haydar Özdemir mit Blick auf die umfassenden Kaderumwälzungen vor dieser Saison absolut bewusst. Es ist nämlich wichtig, immer mindestens einmal mehr aufzustehen, als man hinfällt. Nach dieser Niederlage gegen einen potenziellen Aufstiegskandidaten sieht Özdemir sein Team „gestärkt wieder zurückkommen.“

Fazit: Mit zwei Sonntagsschüssen aus großer Distanz entscheidet der Bezirksliga-Absteiger diesen hochklassigen Vergleich für sich. In beiden Szenen sieht Braha nicht unbedingt gut aus. Die technisch versierten und spielstarken Horner hätten sich nach dieser Vorstellung allerdings auch etwas mehr verdient.

Tore:
0:1 Cihat Keles (per Elfmeter; 27. Min.)
1:1 Nikolai Keuneke (36. Min.)
1:2 Tolga Pulat (52. Min.)
2:2 Justin Keune (73. Min.)
3:2 Justin Keune (80. Min.)