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Sauerbier im ehrlichen Interview

Fakt ist: Es gibt zu wenige Schiedsrichter im FuL-Kreis Lemgo. Auch in Detmold sieht es nicht besser aus. Timo Franz-Sauerbier hat sich zu dieser Thematik bei Lippe-Kick geäußert.

„Viele Vereine haben die Situation noch nicht realisiert“

Allgemein (hk). In der höchst emotionalen schönsten Nebensache der Welt bleibt Kritik nicht aus. Ob gegen den Vorstand, Trainer, Spieler, Reporter oder Schiedsrichter, im Eifer des Gefechts gibt es oft harsche Kritik. Auch wir als Team Lippe-Kick haben den einen oder anderen personellen Aderlass hinnehmen müssen, weil die Kritik wegen angeblicher Fehler zu hart gewesen ist. Folglich können wir uns auch in die Lage der Schiedsrichter hineinversetzen, die unter akuten Personalproblemen zu leiden haben. Wir haben uns mit Timo Franz-Sauerbier unterhalten, der Ansetzer im FuL-Kreis Lemgo ist und die Probleme offen anspricht.

Lippe-Kick: Wie sieht die Personalsituation bei den Schiedsrichtern in der Region aus?

Timo Franz-Sauerbier: „Zu der Personalsituation in unseren Nachbarkreisen kann ich dir leider nicht viel sagen. Daher beruhen meine Aussagen auf der Personalsituation im Kreis Lemgo. Aktuell haben wir im Kreis 97 aktive Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen. Mit dieser Zahl kann man vielleicht nicht direkt etwas anfangen, daher möchte ich die Situation anhand eines Beispiels verdeutlichen: Wir haben am 24.09.2017 insgesamt 68 Spiele, die mit einem Schiedsrichter zu besetzen sind. Bereits jetzt haben sich 25 Schiedsrichter aus persönlichen Gründen für diesen Tag freigenommen und stehen damit für eine Spielleitung nicht zur Verfügung. Damit wären wir bei 72 Schiedsrichtern für 68 Spiele. Hinzu kommen unsere drei Schiedsrichter Franz-Sauerbier, Grandt und Stor, die erst eine Woche vorher ihre Einsätze zugeteilt bekommen. Sollte es nun dazu kommen, dass diese drei Schiedsrichter Spiele in der Landesliga oder einer höheren Spielklasse erhalten, dann benötigen sie ebenfalls noch jeweils zwei Assistenten. Dadurch würden dann nochmals neun Schiedsrichter von den 72 abzuziehen sein, was eine Anzahl von 63 verfügbaren Schiedsrichtern für 68 Spiele macht. Hinzukommen werden noch weitere Schiedsrichter, die sich kurzfristig abmelden werden (Krankheit, spontaner Urlaub o.ä.). Dass diese Rechnung nicht aufgeht und nicht alle Spiele mit offiziellen Schiedsrichtern besetzt werden können, ist ersichtlich. Man könnte also sagen, dass die Anzahl der Schiedsrichter des Kreises Lemgo kritisch ist.“

Lippe-Kick: Wie kann die Situation verbessert werden?

Franz-Sauerbier: „ Zu einer Verbesserung kann es kommen, wenn die Anzahl der Schiedsrichter wieder steigt. Aktuell haben wir etwa 30 Schiedsrichter zu wenig. An der Leistungsbereitschaft unserer aktuell pfeifenden Schiedsrichter ist nichts auszusetzen. Diese sind sehr motiviert und mit viel Freude bei ihrem Hobby. Dies zeigt sich darin, dass manch ein Schiedsrichter am Wochenende sogar mehr als ein Spiel pfeift, um den Spielbetrieb aufrechterhalten zu können. Viele unserer neuen Schiedsrichter hören bereits nach einer Saison auf zu pfeifen. Diese Anzahl könnte gesenkt werden, wenn den Schiedsrichtern der notwendige Respekt entgegengebracht werden würde. Hierbei meine ich gar nicht, dass Emotionen oder Kritik unterdrückt werden sollen. Jedoch sollte manch einer überlegen, wie er seine Kritik äußert. Es bringt nichts den Schiedsrichter noch auf dem Spielfeld oder danach anzuschreien. Auch wir sind Menschen und machen Fehler. So lange der Schiedsrichter die wenigsten Fehler aller Beteiligten begeht, sollte das allerdings auch honoriert werden. Kritik geht viel schneller als Lob über die Lippen. Ein „Gut gepfiffen, Schiedsrichter“ oder „Danke“ kann dazu beitragen, dass der jeweilige Schiedsrichter sich wertgeschätzt fühlt und nicht über ein Karriereende nachdenkt.“

Lippe-Kick: Inwieweit müssen die Vereine das unterstützen?

Franz-Sauerbier: „Viele Vereine scheinen die Situation noch nicht realisiert zu haben. Wir haben bereits die Situation, dass nicht mehr alle C-Ligaspiele mit neutralen Schiedsrichtern besetzt werden können. Gerade Vereine, die nicht in dieser Liga spielen, sind nicht betroffen. Allerdings sollte sich jeder Verein zumindest mal gedanklich in die Situation versetzen, dass ein Schiedsrichter nicht mehr angesetzt werden kann. Vielleicht mag sich an dieser Stelle der eine oder andere Verein freuen, weil er die vermeintliche Last der Schiedsrichterkosten nicht mehr tragen müsste, aber welcher Verein möchte auf Dauer ohne einen offiziellen Schiedsrichter seine Spiele austragen? Das mag bei einigen ruhigen Spielen vielleicht klappen, aber gerade in hitzigen Spielen ist es doch vorteilhaft, wenn man einen neutralen Schiedsrichter hat, der die Regeln kennt und die Entscheidungen trifft. Gerade die Vereine sitzen an der „Quelle“. Sie können in ihren verschiedenen Mannschaften auf die Menschen zugehen und ihnen die Schiedsrichterei „schmackhaft“ machen. Um als Schiedsrichter für einen Verein gezählt zu werden, muss man pro Spielserie nur 15 Spiele übernehmen. Manch ein Schiedsrichterkollege hat diese Anzahl bereits zu Beginn einer Saison erreicht, weil er viele Freundschaftsspiele gepfiffen hat. Neben dem Vorteil, dass ein Schiedsrichter das Meisterschaftsspiel pfeift, müssen Vereine auch pro Schiedsrichter, den sie stellen, weniger Strafe zahlen. Ich behaupte an dieser Stelle mal, dass die gesparten Kosten höher sind als Strafzahlungen.“

Lippe-Kick: Wie groß ist der Zeitaufwand für einen lippischen Referee?

Franz-Sauerbier: „Eine genaue Antwort kann ich dir an dieser Stelle nicht nennen, da es auch darauf ankommt, wo und in welcher Spielklasse ein Schiedsrichter eingesetzt wird. Daher möchte ich hier den in etwa anfallenden Zeitaufwand nur skizzieren. Also für eine „typische“ Spielleitung ist in etwa eine Anfahrt von 30 Minuten zum Spielort einzuplanen. Wohnt der Schiedsrichter in der Nähe eines Sportplatzes ist die Anfahrt natürlich schneller zu bewältigen. Ein Schiedsrichter sollte so etwa 45 – 60 Minuten vor Anstoß am Platz sein, um den Platz kontrollieren zu können und die anderen notwendigen Sachen erledigen zu können (Umziehen, Passkontrolle, eventuell Warmlaufen, Kommunikation mit beiden Mannschaften). Danach folgt die Spielleitung und diese dauert bekanntlich 90 Minuten. Nach dem Spiel muss der Schiedsrichter noch den Spielbericht ausfüllen und duschen. Dafür kann man in etwa nochmals 30 Minuten veranschlagen. Danach erfolgt der Antritt der Rückreise. Zusammengerechnet sind wir daher bei etwa vier Stunden Zeitaufwand für ein Spiel.“

Lippe-Kick: Welche Eigenschaften muss ein guter Schiedsrichter mitbringen?

Franz-Sauerbier: „Zunächst sollte ein guter Schiedsrichter regelfest sein. Dadurch erleichtert er sich die Spielleitung und kann das Spiel zur Zufriedenheit beider Mannschaften leiten. Des Weiteren sollte ein guter Schiedsrichter ein unauffälliger Spielleiter sein. Er sollte sich nicht in den Mittelpunkt spielen, allerdings auch den Mut haben, in den Situationen, die ein Einschreiten erfordern, präsent sein und Regelverstöße konsequent ahnden. Weiterhin sollte er selbstbewusst auftreten, dabei aber nie die benötigte Höflichkeit verlieren. Hinzu kommen Respekt vor allen Beteiligten, aber auch die Fähigkeit, diesen für sich selbst einzufordern. Natürlich gehören auch eine gewisse körperliche Fitness dazu, um den Spielen optimal folgen zu können.“

Lippe-Kick: Warum kannst du diese Tätigkeit empfehlen?

Franz-Sauerbier: „Es macht (fast) immer Spaß als Schiedsrichter unterwegs zu sein. Jeden Sonntag erwartet einen ein anderer Sportplatz, andere Mannschaften und andere Persönlichkeiten. Die Schiedsrichterei kann für einige eine gute Alternative darstellen. Das sind Leute, die aufgrund von Zeit, Lust oder auch Verletzung nicht mehr am regelmäßigen Training oder den Spielen ihrer Mannschaft teilnehmen können oder möchten. Als Schiedsrichter kann man dennoch dem Fußball weiterhin verbunden sein und aktiv teilnehmen. Auch Personen, die in ihrem Verein eher nicht zum Zuge kommen, könnten als Schiedsrichter in ihren Spielen „durchspielen“. Durch die Schiedsrichterei kann man sich persönlich fit halten und gerade für junge Schiedsrichter können die Spesen eine schöne Aufstockung ihres Taschengeldes bedeuten. Hinzu kommt, dass man als Schiedsrichter freien Eintritt zu allen Spielen, die auf DFB-Ebene (oder Ebene eines seiner Landesverbände) stattfinden, bekommt. Dazu gehören Spiele der 1. Bundesliga, des DFB-Pokals oder auch Meisterschaftsspiele der Kreisligen. Des Weiteren kann die Schiedsrichterei auch als eine „Persönlichkeitsschulung“ angesehen werden. Man wird selbstbewusster, lernt Entscheidungen zu treffen und diese auch zu vermitteln.“

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