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Allgemeines

Hans Schreiber – Meine lange Liebe zum Fußball

88 Jahre alt ist Hans Schreiber schon, liebt den Fußball im Allgemeinen und Borussia Dortmund im Konkreten. Für Lippe-Kick schreibt er einen Erlebnisbericht, in dem er anschaulich und kurzweilig seine Begeisterung für den Fußball dokumentiert. Klickt euch rein.

Fußball von der Jugend bis ins Alter

Allgemein (hk). Meine Liebe zum Fußball machte sich schon früh, ich würde sagen, schon sehr früh, bemerkbar. So im Alter von circa vier Jahren. Da hatte ich den Drang, alles, was auf meinem Weg lag, mit dem Fuß zu treten. So auch an einem schönen Sonntagnachmittag bei einem Spaziergang zum Geburtstag meiner Lieblingstante. Da ist es geschehen: Ich sah den Gegenstand schon weit vor uns liegen. Ich schätzte damals schon, dass ich gleich da bin. Die letzten Meter machte ich mich aus der Hand meiner Mutter frei, nahm noch zwei, drei Schritte, nahm Anlauf und haute mit dem rechten Fuß dagegen, mit Pike (jeder Fußballer weiß, was Pike ist). Der Gegenstand – es war eine Kartoffel – flog in hohem Bogen in einen Kinderwagen, der sich vor uns auf dem Bürgersteig befand und dem ich bei meiner Aktion keine Aufmerksamkeit schenkte. Obwohl das Baby gewaltig schrie, hatte es keinen Schaden genommen. Aber für mich, naja, reden wir nicht drüber, hat eine Ohrfeige den ersten Teil erst einmal beendet, aber für abends zu Hause, da wurde mir noch mehr in Aussicht gestellt. Wie schon erwähnt, befanden wir uns auf dem Weg zum Geburtstag meiner Lieblingstante. Dort wurde der Vorfall von allen Anwesenden diskutiert. Einige waren entsetzt, was hätte da nicht alles passieren können. Also, ich will mal sagen: Ein kleinerer Teil der Gäste hatte aber auch Erstaunen und Bewunderung in ihren Betrachtungen des Vorfalls leise anklingen lassen. Ja, meine liebe Tante sprach sogar von Talent, das gefördert werden sollte. So bekam ich am Weihnachtsfest 1935 im zarten Alter von fünf Jahren meinen ersten Fußball geschenkt. Es war ein ziemlich großer, schwarzer Gummiball. Nein, nicht aus Leder mit einer Gummiblase drin. So wohlhabend war die Verwandtschaft nicht. Naja, es ging mit dem Ball auch. Nur, er hinterließ auf der weißen Hauswand immer so dunkle Flecken. Darauf bekam ich die ersten Verbote in meiner noch so jungen Karriere. Eines Tages flog mein Ball in einen Stacheldrahtzaun. Da ging die Luft raus und der Ball war platt und das Fußballspielen hatte ein Ende, bis ich dann in die Schule kam. Da hatte ich dann Freunde und Klassenkameraden, die auch dem Fußballspiel huldigten. Nach Schulschluss war der Schulhof unser Sportplatz. Unser „Ball“ war ein Knäuel aus Lumpen, das mit Gummiringen von Einkochgläsern zusammengehalten wurde. Nach einer gewissen Zeit wurde das von dem Hausmeister verboten. Wir wären zu laut beim Spielen. Naja, der arme Mann hatte entweder noch kein Fußballspiel gesehen oder keine Ahnung von den Emotionen, die bei diesem Sport entstehen. Auf unserem Heimweg kamen wir immer an einer Wiese vorbei, die machten wir zu unserem Sportplatz. Das war an der Stelle, wo die Plötker Straße von der Bromberger abzweigt. Das war so ein Dreieck zwischen den beiden Straßen. Am oberen Ende, also an der breiten Seite, war ein zwei Meter hoher Zaun vor einem Gemüsegarten. Der Ball flog nun bei unserem Bolzen dort hinein. Ihn wieder zu bekommen, war für uns kein Problem. In dem Alter ist ein Zaun von zwei Metern auch kein Hindernis. Die Polizei hat uns das Spielen dort dann auch verboten. Wegen Gefährdung des Straßenverkehrs. Ein echter Fan findet immer eine Möglichkeit. Und die hatten wir schnell. Auf unserer Straße, da fuhr nur selten ein Auto und wenn mal eins kam, machten wir ganz brav Platz, bis auf einmal eine Fensterscheibe Schaden nahm und laut klirrend zerbrach. Da hatte die Herrlichkeit ein Ende. Wir mussten die großen Steine noch wegräumen, die als Tor gedient haben und dann war Ende mit unserem Sport. Nun war es doch wohl logisch, dass einer von uns bei den vielen Schwierigkeiten, die wir hatten, nie ein Ronaldo oder Messi werden konnte. Aber Mutter war zufrieden, dass das zu Ende war und der Lehrer hat über meine ordentlichen Hausaufgaben gestaunt.

Interessante Anfänge

Meine Heimatstadt Schneidemühl liegt im östlichen Pommern. Heute heißt der Ort Pila, hat 45.000 Einwohner und unter anderem fünf Fußballvereine. Für unseren Ortsteil war der SC Erika das Maß aller Dinge. Die Tracht war ein blau-gelbes Trikot. Ein Verwandter war Mitglied, der nahm mich mal mit zum Training. Ich war 13 Jahre alt und hatte ein Gefühl wie an Weihnachten. Auf dem großen Platz mit den richtigen Toren, auf die ich mit einem richtigen Fußball schießen konnte. Die Tore waren dort damals anders als heute hier. In der Größe waren die so wie heute auch. Die Seiten und der hintere Teil waren circa 60 Zentimeter hoch, mit Brettern zugeschlossen und der Rest mit Maschendraht bespannt. Das hat immer ganz schön geballert, wenn der Ball vor die Verschalung geflogen ist. Daher heißt es heute noch: Er hat einen reingeballert. Das war schon toll. Sehr oft bin ich dort bei Spielen gewesen. In den letzten Jahren war mit dem Fußball nicht mehr viel los. Hin und wieder spielte mal eine Soldatenmannschaft dort, bis dann Ende 1944 alles zu Ende ging und im Januar 1945 war dann alles vorbei, auch der SC Erika. Er lebt nur noch in der Traditionsgemeinschaft der Scheidemühler Sportvereine in der Patenstadt Cuxhaven weiter. Als wir, meine Mutter und die beiden jüngeren Brüder, nach der Flucht in Augustdorf gestrandet sind, hieß es: neu anfangen. Am 1. April kamen die Amis und die Kaserne am Ort war leer. Also war es klar, sich dort nach brauchbaren Sachen für unseren armseligen Haushalt umzusehen. Auch ich fand einige brauchbare Gegenstände, über die sich Mutter sehr gefreut hat. Aber den Hauptgewinn hatte ich gefunden. Einen richtigen Fußball aus Leder. Die Freude war groß und so stellten sich auch Freunde ein. Trotz der hohen Beanspruchung dauerte es fast ein Jahr, bis der Ball den Geist aufgab. Nun hatte Augustdorf den TuS und eine sehr gute Handballmannschaft, aber keine Fußballer. Das änderte sich dann aber. Noch 1946 wurde eine Fußballabteilung gegründet, die sich dem TuS anschloss. Ich spielte in der Jugend und bin ein Jahr nach der Gründung Kreismeister vom Kreis Detmold geworden.

Selige BVB-Erinnerungen

Im Nachbarort war ein Sportfest und es wurde erzählt, dort spielt Borussia Dortmund. Und als Bezahlung hatte ein Bauer ein fettes Schwein gestiftet. Nun gehörte in jener Zeit jedes Borstentier dem Staat. Also einfach eins verkaufen oder verschenken, war ein Verbrechen. Noch schlimmer war das Schwarzschlachten. Oder das Schwarzbrennen. Also die private Schnapsherstellung. Eine Flasche selbst gebrannter Rübenschnaps kostete damals 120 Reichsmark oder eine Chesterfield (amerikanische Zigarette) 6 RM. So jetzt aber weiter mit dem BVB. Als ich die Mannschaft in der schwarz-gelben Tracht sah, bekam ich eine richtige Gänsehaut, erinnerte sie mich doch an meinen SC Erika. Da wusste ich: Meine „echte Liebe“ ist nur der BVB. In späteren Jahren war ich lange Zeit bei einer Firma in Dortmund als Zimmermann beschäftigt. Da war ich meinem BVB ganz nah. Oft bin ich in der „Roten Erde“ gewesen und habe tolle Spiele gesehen. Einen unvergesslichen Abend habe ich am 4. Dezember 1963 im Stadion „Rote Erde“ erlebt. Der BVB spielte an diesem trüben, nasskalten Abend gegen Benfica Lissabon. Bei der Fußballgala merkte man nichts von der Kälte. Denn die Zuschauer hatten bei dem 5:0 viel zu jubeln und zu klatschen. Ja, das war ein Erlebnis, dass einem Fußballfan nicht oft beschieden ist. Noch auf dem Heimweg hörte man den Chor der 40.000 Besucher mit dem Ruf hi-ha-ho, Benfica ist k.o. Meine sportlichen Tätigkeiten beschränkten sich aber nicht nur auf das TV-Programm und Zuschauen. Nein, auch ich musste noch viermal die Fußballschuhe anzuziehen. Da hatte ich die Ehre oder Freude, noch im fortgeschrittenen Alter von 45 Jahren – oder auch etwas mehr – für den Heimatkreis zu spielen. Unser unvergesslicher Werner Boche hat das organisiert. Zweimal haben wir in, man höre und staune in Barsinghausen, im niedersächsischen Verbandsheim gespielt. Jedes Mal zum Treffen der Kolberger, gegen deren Traditionsmannschaft. Es ging nicht um Sieg oder Niederlage, nein, alle Beteiligten hatten Freude, an dem gemeinsamen Erlebnis im Kreis lieber Landsleute. Anschließend wurde in den Gasträumen dort bei Bier und Tanz an die Heimat erinnert und Bekanntschaften geschlossen. Ebenso war es in Cuxhaven bei den Treffen. Zweimal hatte ich das Vergnügen, dort mitzuspielen. Dank einer Fangemeinde, die noch von unserem Heimatfreund Werner Hackert mit einem Megafon angefeuert wurde, ist uns nie ein Sieg gelungen. Aber wir hatten alle immer einen sehr schönen Nachmittag bei den Treffen verlebt. Im Laufe der Zeit war die Arbeit in Dortmund beendet, was ich sehr bedauerte. Aber dafür hatte ich am Wohnort eine Beschäftigung gefunden. Auch für die Familie war viel zu tun und keine Gelegenheit, einmal ein Spiel vom BVB live anzuschauen. Trotzdem war ich durch Zeitung, Radio und TV über das Wesentliche immer informiert. Auch über die miesen Zeiten war ich bestens im Bilde, wobei mich der Abstieg 1973 sehr getroffen hat. Besonders die Bekundung des Beileids der Arbeitskollegen und Bekannten. Nur für mich galt der Spruch: „Einmal BVB, immer BVB.“ Zu Beginn der 80-iger Jahre stand es mit der Borussia auch nicht zum Besten. Der Abstieg konnte aber knapp verhindert werden. Danach kam die Zeit, in der es wieder aufwärtsging. Das war eine Zeit, in der Titel gesammelt wurden und „wir“ auch Meister wurden. Zum Glück gab es ja nun schon lange Farbfernsehen und man konnte die Siege der Borussia in dem tollen Westfalenstadion live verfolgen. Seitdem habe ich immer davon geträumt, einmal dort zu sein und ein Spiel zu sehen.

Spät einen Traum erfüllt

Über sechzig Jahre war ich verheiratet, in der Zeit konnte ich es mir nicht leisten, diesen Traum einmal zu erfüllen. Es fehlte eben an allem: Zeit, Geld und Auto. Aber außer dem BVB gab es ja noch die Familie, die Bielefelder Grenzmarkgruppe und den Heimatkreis Schneidemühl. Da stand jedes Jahr das Treffen in Cuxhaven auf dem Programm. Für jeden Schneidermühler eine Pflicht, daran teilzunehmen. Viel Arbeit und Zeit musste dafür aufgewandt werden. Aber Gott sei Dank ist alles, dank eines tüchtigen und treuen Vorstandes in guter, harmonischer Zusammenarbeit und im besten Einvernehmen zur Freude aller Teilnehmer, gut abgelaufen. In den letzten Jahren war meine Frau an den Rollstuhl gefesselt. Da habe ich die häusliche Pflege übernommen. Es war keine leichte Zeit, aber ich war Rentner und hatte Zeit. Wir hatten so viel gemeinsam erlebt. Gutes und weniger Gutes. Darum habe ich meine Frau im Haus behalten. Seit sie mich vor zwei Jahren verlassen musste und seither über mich wacht, ich allein im Haus bin, habe ich mich dem Fan-Club „Die Treue 13″ angeschlossen und bin Mitglied beim BVB. Es ist einfach herrlich, mit der Jugend zusammen im Bus nach Dortmund zu fahren und die Borussia spielen zu sehen. Nur bin ich nicht mehr so gut zu Fuß, um auf die oberen Ränge zu steigen, ich bleibe lieber parterre. So ist der Traum doch noch in Erfüllung gegangen.

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