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Historisch

Historisch – TuS RW Grastrup/Retzen

Einen Rückblick in die Aufstiegssaison 2004/05 serviert Lippe-Kick an dieser Stelle. Begebt euch mit auf eine Zeitreise.

 

„Wir feierten drei Tage lang!“

Historisch (hk). Das Herz rast, die Hände schwitzen, ein hektisches Husten macht sich breit. Aufregung bis zur Ekstase. Die Nervosität steigt bis ins Unermessliche, denn ein Besuch beim leidenschaftlichen TuS RW Grastrup/Retzen steht an der Tagesordnung. Dieses persönliche Gastspiel bringt den Körper in Wallung. Der Verein aus dem Bad Salzufler Speckgürtel ist insbesondere in der Kurstadt so beliebt wie der Osterhase und so bekannt wie Kult-Kicker Florian „Don Pablo“ Perner im ostwestfälischen Nachtleben. Natürlich vor Corona. Einige rot-weiße Zeitzeugen erinnern sich noch bestens an die Triumphfahrt, die mit dem A-Liga-Aufstieg ihr spektakuläres Ende nahm (siehe: https://www.lippe-kick.de/tabelle/kreisliga-b2-lemgo-2004-2005/.

 

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Von Henning Klefisch

 

 

 

Ja, Kruzifix, was war das denn nur für ein verdammt enges Rennen mit dem TuS Ahmsen und der SG Hörstmar/Lieme um das A-Liga-Ticket. 78 Punkte sammelte Grastrup/Retzen, einen Zähler weniger Ahmsen und Hör/Lie lief mit derer 74 an dritter Position ein. Der damalige Co-Trainer Carsten Voelzke, der von allen nur ehrfürchtig „Kaiser“ genannt wird, gönnt sich einen tiefen Blick in die Zeitkugel: „Meiner Ansicht nach hatten wir damals die perfekte Mischung im Team. Junge, hungrige Talente und alte, erfahrene Haudegen – plus einem guten Trainer.“ Mit einer Sehnsuchtsträne im Knopfloch sinniert er in einem Hauch von Nostalgie: „Wir waren eine echte Mannschaft beziehungsweise Kumpels, wo jeder für den anderen alles gegeben hat.“

Auch der zwölfte Mann stand hinter der Aufsteigermannschaft wie eine Wand. Völkerwanderungen wurden vernommen, als die Rot-Weißen ihre Pflichtspiele bestritten. Ebenso die Gra/Re-Reserve wirkte unterstützend wie leistungsfördernd ein. Der Dreikampf war nichts für Weicheier. Voelzke blickt auf die Aufstiegsrivalen, die so einige Kompetenzen in sich vereinten. „Wir hatten mit Ahmsen und Hör/Lie extrem starke Konkurrenten, wo jeder verdient hätte aufzusteigen.“

 

 

Orakelkunst bei „Toni“

 

Sanfte Zweifel kamen beim selbstbewussten Voelzke nicht auf, war der Glaube in sein Team unerschütterlich. „Aber“, spannt er seine Schultern an, blickt dem Gegenüber selbstbewusst in die Augen, „mir persönlich war relativ schnell klar, dass „wir“ hochgehen.“ Die Erörterung für diese fundamentale These liefert er ohne Bezahlschranke hinterher: „Wenn wir mal geschwächelt haben, haben Ahmsen und Hör/Lie auch geschwächelt“, war hier die Gemeinsamkeit auffällig. Gegen das Kellerkind TSV Oerlinghausen II gab es vor heimischer Kulisse nur eine müde Punkteteilung. Voelzke blickt zurück, verweist mit einem Lächeln im Antlitz auf den Dreiklang: „Da waren wir echt nicht gut und die anderen beiden spielten auch unentschieden!“

Zur Klagemauer nach Jerusalem unternahmen sie allerdings keine Reise nach dieser herben Enttäuschung. Vielmehr wurde der Mannschaftsgeist bei „diversen Kisten Bier“ am Platz beschworen. Es folgte ein Ausflug zum Lieblings-Griechen „Toni“, wo die Orakel-Kunst zelebriert wurde. Die Prophezeiung hatte sieben Serien-Siege auf einen Streich als den sinnvollen Erfolgsweg Richtung Meisterschaft ausbaldowert. „Kaiser“ fühlt sich königlich, als er via Lippe-Kick klamüsert: „So haben wir dann die Saison zu Ende gespielt und sind verdient aufgestiegen. Einfach eine geile Saison“, kribbelt es der Grastrup/Retzen-Ikone am ganzen Körper, wenn er darüber nachdenkt.

 

„Unter Pavillons wurden Canapés gereicht“

 

 

Bildquelle: Rainer Tautz.

Der Architekt von diesem gelungenen Bauwerk war Thorsten Meier. Was für eine Legende beim Turn- und Sportverein aus Grastrup/Retzen. Auch „Bonzo“ hat diese goldene Zeit Mitte der Nuller-Jahre im Visier. Anschaulich schwärmt er von einer Mannschaft, „die miteinander durch dick und dünn ging, wo der eine für den anderen kämpfte und die niemals aufgab.“ Diese beeindruckende Mentalität war der Erfolgsschlüssel für diesen historischen Sprung in das Lemgoer Kreisoberhaus. Bis 2010 war man stolzes Mitglied dieser höchsten Lemgoer Kreisliga. Seither ist die B2 Lemgo zum Heimathafen geworden. „Bonzo“ spricht bei Lippe-Kick von einem „eingeschworenen, verrückten Haufen von jungen Talenten und erfahrenen Schlitzohren. Diese Mischung machte es aus!“

Längere Schwächephasen durften sich nicht erlaubt werden. Mit einem dreifachen Punktgewinn beim Schlusslicht TuS Asemissen II sicherte sich Grastrup/Retzen den Meistertitel. Ein melancholischer Meier: „Imponierend war die große Anhängerschaft, die Asemissen in eine Retzer Heimspiel-Kulisse verwandelte. Unter Pavillons wurden Canapés gereicht und die ganze Seite war rot-weiß“, erlebte er beim Abpfiff einen dekadenten „Gänsehautmoment.“ Kollektiv wurde sich gedrückt und geherzt, um den erstmaligen Sprung in die A-Klasse gebührend zu feiern. Thorsten Meier hat auch die „anschließende Treckerfahrt durchs Dorf und eine legendäre Aufstiegsfeier am Platz mit allen Fans und Freunden des TuS“, nicht vergessen.

 

Dreitägige Aufstiegsfeierlichkeiten

 

Schon damals mit von der Partie war Salvatore Völkel. Imaginär wischt sich der „ewige Salva“  auch mit reichlich Abstand die Schweißperlen von der Stirn, hat er die Spielzeit 2004/05 schließlich als „unglaublich spannende Saison“ im Hinterkopf. Die Favoritenrolle gehörte dem TuS Ahmsen, kam diese nicht von ungefähr: „Sie hatten sich unglaublich gut verstärkt, allen voran mit Mühlenweg, der meines Wissens mal Oberliga gespielt hatte.“ Trotz dieser hohen individuellen Ahmser Qualität war Hörstmar/Lieme für Völkel jedoch ebenfalls „ein unangenehmer Gegner.“ Die SG-Defensive glich einem Bollwerk, mussten sie nur ein Dutzend Mal den Ball aus dem eigenen Gehäuse holen. Völkel verrät gegenüber Lippe-Kick: „Diese Zeit damals ist der Grund dafür, warum Grastrup/Retzen mein Herzensverein geworden ist. Der Verein war wie eine Familie für mich, wir hielten auf dem Platz wie auch neben dem Platz zusammen.“ Konkret beschreibt er die eigene Mannschaft als eine mit „sehr guten, erfahrenen Spielern“, dazu mit „uns jungen, hungrigen, schnellen Spielern.“ Mit Meier kam ein Coach hinzu, „der im Umkreis seinesgleichen suchte.“ Was zeichnete „Bonzo“ denn aus? „Er hat es immer wieder geschafft, uns emotional so zu pushen, dass wir kaum Punkte abgaben. Unser „Kreisliga-Kloppo“ halt.“ Dass die Rot-Weißen mit einem Punkt vor Ahmsen diesen epischen Aufstieg feierten, war keine Ungerechtigkeit, die zum Himmel schrie, keine Gaunerei.

Das haben sie nach Völkels Dafürhalten „auch verdient.“ In den direkten Spitzen-Duellen zeigten die Meier-Männer ihre Qualitäten, holten vier Punkte gegen Hörstmar/Lieme und die vollen sechs gegen Ahmsen. Glückselig gibt das Grastrup/Retzen-Urgestein via Lippe-Kick zu Protokoll: „Die Party nach dem letzten Spiel bleibt unvergessen. Gefühlt das ganze Dorf empfing uns in Retzen am Platz. Wir feierten drei Tage lang. Man munkelt, ein paar Leute feierten noch etwas länger.“

 

 

 

 

Bild-Quelle: Salvatore Völkel, Lippische Wochenschau,

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