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Allgemeines

Im Mittelpunkt – Rassismus im Fußballsport. Teil 1.

Ein ernstzunehmendes Thema oder ein hochgepushtes? Wir haben Fußballer und Trainer in dieser Angelegenheit befragt.

 

Was ist Rassismus eigentlich?

 

Allgemein (ts). Hier die Definition, die man dem Duden entnehmen kann: „Meist ideologischen Charakter tragende, zur Rechtfertigung von Rassendiskriminierung, Kolonialismus o. Ä. entwickelte Lehre, Theorie, nach der Menschen beziehungsweise Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen oder ethnisch-kulturellen Merkmalen anderen von Natur aus über- beziehungsweise unterlegen sein sollen.“
(Quelle: https://www.duden.de/rechtschreibung/Rassismus; Stand: 2023). Hier ist der erste Teil.

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Von Thomas Sauerbier

 

 

Es wird demnach unterstellt, dass man an „bestimmten […] Merkmalen“ den Wert eines Menschen festmachen kann. Wer aber legt diesen Wert fest und welche Kriterien sind dabei maßgebend? Kurz darauf geantwortet: Nein, man kann einem Menschen nicht aufgrund seiner Herkunft einen Wert beimessen. Das ist den meisten Menschen klar, denke ich. Warum begegnen den Akteuren auf den Sportplätzen dennoch immer wieder Situationen, in denen es zu diskriminierenden und fremdenfeindlichen Äußerungen kommt? Dieser Artikel geht den Fragen nach, die in diesem Zusammenhang aufkommen.

 

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Intern ist alles gut

 

Marco Cirrincione

„Meine eigene Erfahrung sagt mir, dass eine Fußballkabine sehr oft ein wunderbar positiver Querschnitt unserer Gesellschaft sein kann“, lässt uns Marco Cirrincione, der Trainer des SCV Neuenbeken, wissen. Somit sprechen wir hier nicht ausschließlich über fremdenfeindliche Situationen im Fußballsport, sondern über derartige Vorkommnisse allgemein, die hier nur ihren Rahmen im Liga- oder Trainingsalltag finden. „In unserem Verein sitzen alle möglichen Nationalitäten nicht nur nebeneinander, sondern verstehen sich auch wunderbar“, kann Cirincione über seinen Verein berichten. Das ist ein gutes Zeichen und spiegelt auch die generelle Situation innerhalb der Teams der Ligen wider. In der Hauptsache fallen Äußerungen, die fremdenfeindlichen Charakter haben, gegenüber Akteuren eines Widersachers und dabei sind es zumeist die Zuschauer, die sich diese Verfehlungen zuschulden kommen lassen. Henri Ellerbrok, der Coach des SV Wüsten, kann das bestätigen: „Gerade bei diesen unterschwelligen Aussagen sind es auf jeden Fall mehr die Zuschauer, die sich im ‚Schutz der Masse‘ profilieren und von draußen völlig deplatzierte Aussagen von sich geben.“ Auch Halis Kacan, der Trainer der SG Hidessen-Heidenoldendorf II, lässt uns wissen, dass er die Erfahrung gemacht hat, dass derartige Äußerungen „eher von den Fans“ getätigt werden. „Das ist wirklich sehr traurig“, bewertet er diesen Umstand vielsagend.

 

 

Wie die Beteiligten damit umgehen

 

Toni Tiburzy

„Diskriminierung gehört ja schon fast zum Alltag im Fußball, von der C-Liga bis hin zur Bundesliga“, bewertet Toni Tiburzy, der Trainer des TuS Horn-Bad Meinberg, den Stand der Dinge. Er sieht es meist als Beiwerk in verbalen Auseinandersetzungen, die auf dem Fußballplatz immer wieder entstehen. „Selbst kenne ich das aus meiner aktiven Zeit als Spieler noch zu gut. Aber ich habe mich selten bis nie auf solche Auseinandersetzungen eingelassen“, erinnert er sich. Tiburzy berichtet hier von einer konkreten Situation, die ihm begegnete und einem beispielhaften Umgang damit: „Ich kann mich an ein Auswärtsspiel vor einigen Jahren erinnern, als ein Spieler von uns rassistisch beleidigt wurde, während des Spiels, und ich damals in der Pause zur Mannschaft gesagt habe, dass, wenn noch ein Kommentar gegen unseren Spieler erfolgt, wir die Partie abbrechen. Das habe ich dann auch dem gegnerischen Trainer mitgeteilt und dann kam nichts mehr. Rassismus ist ein Thema, was auf einem Fußballplatz nichts zu suchen hat.“ Grundsätzlich gilt für Tiburzy: „Emotionen dürfen gezeigt werden, aber dann muss auch wieder gut sein.“ Damit spricht er sicherlich vielen Aktiven, Fans und Funktionären aus der Seele. Sollten auf dem Platz jedoch Äußerungen fallen, die den Rahmen des Entschuldbaren sprengen, sieht er den Verein als die Instanz, die entsprechende Konsequenzen folgen lassen sollte: „So hat es in der Vergangenheit TuRa Heiden gemacht, die einen Spieler, nach dem Spiel gegen uns, vor die Tür gesetzt haben. Ich habe während des Spiels von der Seite nichts mitbekommen, aber es muss anscheinend so krass gewesen sein, dass die Entscheidung noch, gefühlt, in der Kabine nach dem Spiel feststand. Dafür habe ich damals Thorsten Geffers meinen größten Respekt ausgesprochen.“

 

 

Ellerbrok vermittelt seinen Jungs den Kompass

 

Henri Ellerbrok

Henri Ellerbrok begegnet Situationen, in denen fremdenfeindliche Äußerungen fallen, in der Art, dass er die direkte Ansprache sucht. So wird es vereinsintern beim SV Wüsten gehandhabt, berichtet er. Ellerbrok selbst versucht, seinen „Jungs auf jeden Fall einen guten Kompass zu vermitteln“, der darauf eingenordet ist, „gemeinsam Spaß und Erfolg im Fußball“ zu haben, ohne dabei jemandem in irgendeiner Weise zu nah zu treten. „In Spielen ist es dann auch auf jeden Fall wichtig, die Leute darauf aufmerksam zu machen, wo Grenzen überschritten werden“, untermauert er seine Vorgehensweise in Bezug auf diskriminierende Kommentare.

Thorsten Geffers

Marco Cirrincione besitzt die nötige Courage, seine „klare Haltung“ zu vertreten, wenn er mit fremdenfeindlichen Kommentaren konfrontiert wird oder er einfach nur zugegen ist: „Wegschauen und weghören entspricht nicht meinem Naturell – auch wenn es dann oftmals unangenehm wird und es sicherlich nicht den Weg des geringsten Widerstands darstellt. Gerne tausche ich mich auch bis zu einem gewissen Toleranzgrad mit Menschen mit einer anderen Geisteshaltung aus und versuche, sie mit Argumenten zum Nachdenken anzuregen.“ Halis Kacan erinnert sich, mal als „scheiß Ausländer“ beleidigt worden zu sein. „Ich bin so: hier rein, da raus. Mich interessiert das nicht, was andere sagen“, erläutert er seine persönliche Handhabe mit fremdenfeindlichen Äußerungen. Dazu gehört eine innere Gelassenheit, die nicht jeder Mensch in sich birgt. Glücklich kann derjenige sein, den diese Dinge tatsächlich nicht berühren. Kacan hat sich selbst in solchen Situationen absolut unter Kontrolle, mag einer aggressiven Reaktion seinerseits keinen Raum bieten. „Wenn man dem keine Aufmerksamkeit schenkt, dann werden die auch weiter nichts mehr sagen, aber wenn man so dumm ist und darauf eingeht, dann ist es normal, dass sie halt weitermachen“, erläutert er dazu.

 

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Ist es wirklich Rassismus?

 

Werbung: VereinsticketMeist nicht. Auch wenn der Rassismus im Sinne des Wortes doch eher rar gesät ist, scheint ein anderes Phänomen an seine Stelle getreten zu sein: die Angst vor dem Fremden, Unvertrauten. Xenophobie lautet der Fachbegriff dafür. Und der Mensch begegnet Dingen, die Angst in ihm auslösen, vorwiegend mit Flucht oder Angriff. Das könnte fremdenfeindliche Äußerungen ansatzweise erklären, jedoch keineswegs rechtfertigen, zumal die meisten Akteure auf dem Feld doch über einen gesunden Menschenverstand verfügen und somit dem Gefühl der Angst mit Logik und Fakten begegnen können. Die Meinung, dass fremdenfeindliche Bemerkungen nicht selten als psychologische Waffe eingesetzt werden, um die Moral des Kontrahenten auf dem Platz zu schwächen, ist verbreitet. Ja, das ist höchst unehrenhaft und zutiefst verwerflich. Dennoch gibt es Menschen, denen der Erfolg über alles geht und die bereit sind, dafür jedes Mittel zu nutzen. Wen überrascht es? Ein paar Fakten: Ein ‚taktisches Foul‘ beinhaltet in den meisten Fällen die Inkaufnahme einer Verletzung des Gegenspielers und wird einzig vorteilsorientiert ausgeübt. Ein bewusster Verstoß gegen die geltenden Regeln also, um ein gesetztes Ziel zu erreichen. Das wird dem Foulenden nicht selten als Cleverness ausgelegt oder gar als situativ ‚notwendig‘ dargestellt. Es gibt oder gab ein Format im TV, in dem sich Menschen gegenüberstanden, die einander angingen, indem sie sich rappenderweise zu erniedrigen versuchten. Dabei wurde im Vorfeld ausgiebig recherchiert und das Beleidigen der Familienangehörigen des jeweiligen Kontrahenten gehörte regelmäßig zum handelsüblichen Handwerkszeug – unter dem Deckmantel der Musik. Wir leben in einer Ellenbogen- und Leistungsgesellschaft, in der vielerorts dem Erfolg ein höherer Wert beigemessen wird als den moralischen Tugenden. In Kinofilmen sieht man vermehrt die ‚Bad Guys‘ in den Hauptrollen dargestellt, Verbrechen werden auf der Leinwand bewundert sowie menschliche Kälte. In deutschen und englischsprachigen Liedtexten, vor allem im Hip-Hop/Rap, gibt es massenhaft diskriminierende Äußerungen. Dabei hört man sehr häufig das ‚N-Wort‘ und sexistische sowie frauenfeindliche Ansichten aus dem Lautsprecher erklingen. Na ja, ich glaube, Sie wissen schon, worauf das hinausläuft. Insgesamt kann man sagen, dass wir die Ursachen für ein solches Handeln, dass vorrangig auf den Erfolg ausgerichtet ist und für die damit verbundene Empathielosigkeit, längst kennen.

 

 

 

Eine kleine Umfrage

 

Über einen bekannten Messenger habe ich persönlich eine Umfrage gestartet, die, das sei hier ausdrücklich erwähnt, nicht repräsentativ ist. Ich bot dabei meinen Kontakten die Frage: „Hältst du persönlich ein taktisches Foul für ein zulässiges Mittel, um zum Erfolg zu gelangen?“ zur Beantwortung an. Das Ergebnis: Von 27 Personen, die wohlgemerkt freiwillig auf diese Frage antworteten, bekam ich zwölfmal ein „Ja“ und 15 Personen antworteten mit „Nein“. Ich weise an diesem Punkt nochmal explizit darauf hin, dass ein (taktisches) Foul einen Regelverstoß darstellt und jeder bewusste Regelverstoß gegen den Gedanken des Fairplay spricht und überlasse es Ihnen als Leser dieser Zeilen nun, sich dazu eine Meinung zu bilden oder es ausbleiben zu lassen.

 

 

Ursache: Ängste

 

Ängsten kann man mit dem Verstand begegnen, um ihr Ausmaß eindämmen. Wer also den Kopf einschaltet, um sich nicht von einem Gefühl bestimmen zu lassen, ist damit auf einem guten Weg. Henri Ellerbrok sieht Angst als einen wichtigen Faktor und appelliert an den Sportsgeist, der jedem Akteur innewohnen sollte: „Man muss keine Angst vor fremden Sprachen oder anderen Kulturen haben. Im Fußball sollte es nur um Spaß, Teamgeist und Ehrgeiz gehen – dabei ist es dann egal, ob jemand eine andere Hautfarbe oder Religion hat, ob jemand zu Hause eine andere Sprache spricht oder wo er oder sie geboren ist. Offenheit und ein freundliches Miteinander sind die Schlüssel zum Erfolg.“ Ellerbrok hält es für notwendig, Aufklärungsarbeit zu leisten, „um die Berührungsängste zu nehmen“. Zudem könnte man „sportliche Strafen bei Verstößen der Zuschauer“ verhängen, was er als schwer umsetzbar befindet, jedoch als Option nicht verwirft. Marco Cirrincione sieht die Beweggründe für fremdenfeindliche Äußerungen ebenfalls hauptsächlich in „Unkenntnis“ und der daraus resultierenden „Angst vor dem Fremden“ begründet. Dazu präsentiert er einen Lösungsansatz, der einfach scheint, jedoch in seiner Umsetzung fordert, über den Tellerrand hinauszuschauen und dabei seine Ängste und Vorurteile vor der Tür zu lassen: „Wichtig: Kennenlernen von anderen Kulturen! Kontakte suchen und offen sein – Stichwort: interkultureller Austausch.“ Wer diesen Schritt wagt, mag feststellen, dass das, was Cirrincione als Erkenntnis in Aussicht stellt, eine Lebensweisheit ist, von der man profitieren kann: „Wir sind uns viel ähnlicher als wir glauben.“ Als Trainer pflegt Marco Cirrincione einen „offenen und konstruktiven Austausch“ mit den Spielern. Dabei werden eben auch „gesellschaftliche Themen“ angesprochen. Man tauscht sich aus und lernt einander besser kennen, liefert und bekommt Denkanstöße, bietet Hilfestellung und ein offenes Ohr. Als Coach und als Mensch versucht Cirrincione dabei „gewisse Werte vorzuleben“. Diese Einstellung zieht sich beim SCV Neuenbeken durch das gesamte Trainerteam und wird zudem von allen Verantwortlichen im Verein getragen.

 

 

Ursache: Eigennutz

 

Rassistische oder fremdenfeindliche Äußerungen, die sich darin begründen, dass man sein Gegenüber mental schwächen möchte, um es aus dem Gleichgewicht zu bringen, damit man schlussendlich einen Vorteil aus der daraus entstehenden Situation ziehen kann, lassen sich nicht so leicht bändigen. Dabei handelt es sich um eine Strategie, die der Ausübende als adäquates Mittel wählt, um seinem Ziel näherzukommen. Häufig erweist sich diese Vorgehensweise als erfolgreich und wird dementsprechend als wirkungsvolle Option abgespeichert. Um diesen Umstand zu verändern, müsste man Denkmuster abwandeln, die der Nutzer dieser Strategie bereits als zielführend verinnerlicht hat. Ein schwieriges Unterfangen also.

 

 

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