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Allgemeines

Im Mittelpunkt – Rassismus im Fußballsport. Teil 2.

Ein ernstzunehmendes Thema oder ein hochgepushtes? Wir haben Fußballer und Trainer in dieser Angelegenheit befragt.

 

Was ist Rassismus eigentlich?

 

Allgemein (ts). Hier die Definition, die man dem Duden entnehmen kann: „Meist ideologischen Charakter tragende, zur Rechtfertigung von Rassendiskriminierung, Kolonialismus o. Ä. entwickelte Lehre, Theorie, nach der Menschen beziehungsweise Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen oder ethnisch-kulturellen Merkmalen anderen von Natur aus über- beziehungsweise unterlegen sein sollen.“
(Quelle: https://www.duden.de/rechtschreibung/Rassismus; Stand: 2023). Hier geht es in den zweiten Teil.

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Die unbeabsichtigte Form

 

Henri Ellerbrok

Henri Ellerbrok begegnet nicht selten ein „unterschwelliger Rassismus“ auf den Fußballplätzen, bei dem man das „Gefühl hat, die Leute merken gar nicht, dass das falsch ist, was sie da gerade von sich geben“. Ohne es „pauschalisieren“ zu wollen, erläutert er, dass es nicht selten „einige ältere Leute“ sind, die in diesem Zusammenhang auffallen und denen „teilweise gar nicht bewusst ist, wie verletzend ihre Denkweisen und Aussagen sind“. Dabei scheint klar, dass man hier die Vergangenheit berücksichtigen muss, um die Ursache für solche Äußerungen nachzuvollziehen. Man darf wohl davon ausgehen, dass fremdenfeindliche Äußerungen oder Formulierungen, die von den älteren Semestern abgegeben werden, häufig nicht als solche gedacht sind. Im schlimmsten Fall sind sie jedoch so gemeint, wie sie klingen. Auch hier sieht Henri Ellerbrok Aufklärungsarbeit und das Thematisieren des verbalen Vergehens angebracht. Marco Cirrincione kann zu diesem Punkt ebenfalls etwas beisteuern: „Latenten Rassismus erlebe ich immer wieder, oft, ohne dass dem Sender sein Verhalten bewusst ist. Beispielsweise ist mir in den Videoanalysen nach unseren Spielen aufgefallen, dass unsere dunkelhäutigen Spieler oftmals (subjektiv wahrgenommen) mit einem anderen Maßstab in der Zweikampfbeurteilung gemessen werden. Und: Mittlerweile hat sich auch eine Szene gebildet, die versucht, rassistische Tendenzen ins Lächerliche zu ziehen, Stichwort: ‚Ich nenne das weiterhin Zigeunersauce oder Negerkuss. Das kann mir keiner verbieten.‘ Dumme Aussagen, ohne thematische Hintergründe zu reflektieren. Statement daher dazu von mir: Bildung und damit einhergehend Toleranz und Menschlichkeit, sollten das höchste gesellschaftliche Gut sein, damit Stereotypen aus den Köpfen der Leute verschwinden.“ Es ist demnach ein Jeder von uns gefordert, um diesem Problem den Garaus zu machen.

 

 

Erfahrungen

 

„Rassismus ist wie eine schlimme Krankheit, die sich durch alle Lebensbereiche und Gesellschaftsschichten zieht“, das sagt ein erwachsener Marco Cirrincione, der sich ein Bild von der Gesellschaft und vom Leben ganz allgemein machen konnte, der in der Lage ist, Zusammenhänge klar zu erkennen und der sich mithilfe seines Verstandes Erklärungen erarbeiten kann. Cirrincione beschreibt, wie er als sehr junger Mensch im Fußballgeschehen erste Erfahrungen mit dem Thema machte: „Früher schien es fast normal, dass ich als junger aktiver Fußballspieler im nettesten Fall als ‚der kleine Schwatte‘ tituliert wurde. Mit dem Begriff ‚Scheiß Kanacke‘ konnte ich erst gar nichts anfangen und musste ihn mir in jungen Jahren erst erklären lassen.“ Marco Cirrincione unterstellt allerdings eine positive Entwicklung diesbezüglich und geht davon aus, dass die Gesellschaft allgemein mittlerweile „sensibilisierter für das Thema“ ist und befindet: „Und das ist auch gut so.“

 

 

Die Schiedsrichterfrage

 

Henri Ellerbrok sieht keinen großen Handlungsbedarf in Bezug auf die Unparteiischen. Auf die Frage, ob rassistische Bemerkungen, in seinen Augen, von den Unparteiischen konsequent genug geahndet werden, erwidert er: „Generell ja, weil die Schiedsrichter, nach meinem Empfinden, alles ahnden, was sie mitbekommen. In dieser Hinsicht muss man ja fairerweise auch sehen, dass die Schiedsrichter*innen in der Kreisliga ohne Assistent*innen pfeifen und so niemals alles mitbekommen können.“ Marco Cirrincione hingegen bewertet die Konsequenz, mit der rassistische Bemerkungen geahndet werden, als „eher nicht“ ausreichend. Ihm fehlen „leider immer mehr die Persönlichkeiten auf dem Platz und vor allem eine vernünftige und deeskalierende Kommunikation der Schiedsrichter“. Dabei erwartet er von einem jungen Unparteiischen nicht, diese Anforderungen in Gänze erfüllen zu können, schlägt jedoch vor, dass man hier, „in der Ausbildung der Referees, unbedingt ansetzen“ sollte.

Halis Kacan

Gewalt den Unparteiischen gegenüber ist „inakzeptabel“ und er spricht den jungen Menschen, die sich für den Weg des Schiedsrichterdaseins entscheiden, seine Wertschätzung aus. Marco Cirrincione beugt möglichen Missverständnissen seiner Aussagen vor, indem er unterstreicht: „Meine Aussagen sollen jetzt auf keinen Fall tendenziös in nur eine Richtung gehen. Die Verantwortung eines Schiedsrichters ist zwar groß, aber für eine Eskalation kann er nicht allein verantwortlich gemacht werden.“ In Halis Kacans Augen haben rassistische Bemerkungen in den vergangenen Jahren nachgelassen. Sollte so etwas dennoch vorkommen, fordert er ein hartes, konsequentes Vorgehen seitens der Unparteiischen. Derartige Vorkommnisse sind, nicht nur in seinen Augen, absolut inakzeptabel. Insgesamt ist er zufrieden mit der Konsequenz, die er von den Schiedsrichtern in dieser Angelegenheit im Fußballalltag beobachten kann.

 

 

Ein Appell

 

Marco Cirrincione fasst zusammen, was er sich von allen Fußballern in den Ligen wünscht und das darf man ebenso auf die Gesellschaft ganz allgemein übertragen: „Mut haben, hinzuschauen; Konflikte vermeiden und Lösungsansätze finden; eigene Vorurteile erkennen und abbauen; Vorbilder suchen und darstellen; Abbau von Sprachbarrieren; Rücksicht nehmen auf andere Kulturen und zu Solidarität ermuntern; Positive Botschaften senden. Und: Die Gleichwertigkeit eines jeden Menschen beachten. Das Gemeinsame betonen (die Liebe zum Fußball kann und soll verbinden); sich über den eigenen Ethnozentrismus bewusstwerden und versuchen, eine gleichwertige Betrachtung aller Kulturen zu erreichen.“ Es lässt sich in diesem Appell sicherlich für jeden Menschen ein Denkanstoß finden, um sich selbst zu hinterfragen und sich mit seinen eigenen Denkmustern auseinanderzusetzen. Dazu braucht es jedoch den Mut, mit sich selbst ins Gericht zu gehen und sich eventuell Dinge einzugestehen, die das Selbstbild des einen oder anderen infrage stellen können. Doch schlussendlich kann man daran wachsen und seinen Teil dazu beitragen, dass wir alle zusammenwachsen, die wir doch eh in einem Boot sitzen.

 

 

Ein weiterer Appell

 

Halis Kacan

Auch Halis Kacan formuliert in dieser Angelegenheit einen Appell an alle Beteiligten rund um den Fußballsport: „Mein Appell ist einfach, wenn Fußball gespielt wird: Auf dem Platz und neben dem Platz geht es nur um Fußball und um nichts anderes. Egal, wer woher kommt, was für eine Hautfarbe jemand hat – das ist wirklich, auf gut Deutsch gesagt, scheißegal. Man muss alle Menschen respektieren, wie sie sind und nicht aufgrund einer Hautfarbe oder Nationalität beurteilen. Das gehört einfach nicht dazu. Wir sind alle da, um Fußball zu spielen, um Spaß zu haben. In den meisten Mannschaften gibt es Akteure verschiedener Nationen und von daher gehört so etwas einfach nicht auf den Platz, dass rassistische Äußerungen getätigt werden.“ Sein Appell gilt selbstverständlich auch über den Rahmen des Fußballsports hinaus.

 

 

Kavaliersdelikt oder deutlich mehr?

 

Häufig zielen fremdenfeindliche Provokationen darauf, sein Gegenüber aus der Fassung zu bringen, um anschließend mit dem Finger auf diese Person zu zeigen. Das funktioniert leider noch zu oft und wird selten von beiden Seiten beleuchtet. Auf die Frage, wie ernst man, in seinen Augen, das Thema Rassismus aktuell in Bezug auf den Fußballsport bewerten muss, legt uns Marco Cirrincione seinen Standpunkt ausführlich dar: „Sehr ernst. Und es reicht nicht aus, auf einem Social-Media-Kanal für Werte zu werben und an der Eckfahne Regenbogenfahnen aufzuhängen. Auch werden oft immer nur die dieselben ‚Säue durch das Dorf getrieben‘. Beispiel: Gefühlt ist jede Mannschaft mit erhöhtem Migrationshintergrund aggressiv und sorgt allein für Spielabbrüche, etc. Ich habe sehr oft das Gegenteil erlebt, insbesondere von Vereinen, die eine vorurteilsfreie Gesinnung gern als scheinheilige Werbung benutzen, dann aber im Spiel ausländerfeindliche Sprüche ablassen und dies anschließend gern mal unter den berühmten Teppich kehren. So wie jemand agiert, so reagiert sein Gegenüber. Nur über eine (nicht zu tolerierende) Reaktion zu sprechen, ist mir zu trivial.“ Henri Ellerbrok (Bild links) sieht ebenfalls das Vorhandensein eines dringenden Handlungsbedarfs in dieser Angelegenheit: „Das Thema muss man auf jeden Fall ernst nehmen und sich Gedanken machen, wie man Rassismus und jegliche Form der Diskriminierung von den Sportplätzen verbannen kann.“

 

 

Denkanstöße

 

Von den Situationen, in denen Marco Cirrincione fremdenfeindliche Kommentare begegnet sind, möchte er keine gesondert hervorheben, da sie allesamt als inakzeptabel zu bewerten sind. Henri Ellerbrok sieht es ebenso. Ganz allgemein kann er jedoch sagen: „Aussagen wie ‚die sollen zurück in ihr Land‘ oder ‚Ausländertruppe‘ finde ich echt heftig – vor allem vor dem Hintergrund, dass kein Mensch seinen eigenen Geburtsort beeinflussen kann und sich keiner aussuchen kann, ob er oder sie in einem modernen, demokratischen Land oder in einem Kriegsgebiet geboren wird.“ Toni Tiburzys Appell richtet sich an den Sportsgeist all derjenigen, die sich auf den Fußballplätzen der Ligen einfinden: „Lasst uns einfach alle versuchen, die Sonntage so erfolgreich und sportlich wie möglich zu betreiben und Vorurteile zu Hause zu lassen!“ Es könnte so einfach sein. Tiburzy (Bild rechts) versucht, seinen Spielern und auch seinen Kindern zu vermitteln, dass Rassismus und Diskriminierung in unserer Gesellschaft nichts zu suchen haben. Als Trainer des TuS Horn-Bad Meinberg spricht er für den gesamten Verein, wenn er sagt, dass man dort jeden Akteur herzlich willkommen heißt – egal welcher Herkunft oder aus welcher Kultur – und ihm oder ihr „das Gefühl von einer Gemeinschaft“ geben möchte. Eben das ist es, was der Vereinssport bieten kann: Charakterbildung, Gemeinschaftsgefühl und das Aufheben von kulturellen oder gesellschaftlichen Unterschieden.

 

 

 

Die andere Seite

 

Ich würde es bedauern, sollte jemand, der den Standpunkt vertritt, dass Fremdenfeindlichkeit angebracht ist, meinen Aufruf zur Beteiligung an diesem Artikel gelesen und es dennoch unterlassen haben, sich daraufhin bei mir zu melden. Ich hätte gerne auch eine gegensätzliche Meinung zu diesem Thema mit in diesen Bericht aufgenommen. Denn: Jeder Mensch möchte verstanden werden und das Artikulieren seines Standpunktes bietet eine gute Basis für Verständnis, welches letztendlich einen konstruktiven Austausch ermöglichen kann. Die Dinge zu verteufeln, reicht allein nicht aus, um ein harmonisches Miteinander herbeizuführen.

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